Harte Männer, weiche Leiste
Zur Behandlung der Fußballerleiste braucht es die Königsdisziplin: Interdisziplinäre Kooperation.
Beschwerden im Bereich der Leiste und der Hüfte sind bei Fußballspielenden jeden Alters ein häufiger Grund für eine unfreiwillige Trainings- oder Spielpause. Aufgrund der zentralen Stellung im Bewegungsapparat und des komplexen anatomischen Aufbaues dieser „Schaltzentrale“ ist die Diagnostik oft schwierig und erfordert von den behandelnden Ärzten viel Erfahrung und Zusammenarbeit mehrerer Fachdisziplinen. Laut der Verletzungsstatistik im europäischen Fußball, welche regelmäßig von der UEFA veröffentlicht wird, rangieren Hüftverletzungen in ihrer Häufigkeit hinter Knie, Sprunggelenk und Muskelverletzungen mit etwa 15% an vierter Stelle. Auf eintausend Spielstunden ist mit vier Verletzungen der Hüftregion zu rechnen, welche den Spieler im Durchschnitt zu einer Spiel- und Trainingspause von 15 Tagen zwingt. Etwa ein Drittel aller Aktiven leidet im Laufe ihrer Karriere an Leistenschmerzen und regelmäßig sind sie, wegen ihrer Hartnäckigkeit und Therapieresistenz, der Grund, die Fußballschuhe endgültig an den Nagel zu hängen. Aus Untersuchungen weiß man, dass das Risiko für Hüftverletzungen mit steigendem Körperfettanteil und hoher Muskelkraft, sowie mit geringerer Dehnbarkeit der Muskulatur und dem Alter zunimmt. Die Symptome sind oft diffus und vom Betroffenen auch nicht immer eindeutig lokalisierbar, was dazu führt, dass es oft erst nach mehreren bildgebenden und klinischen Untersuchungen und der Konsultation mehrerer Fachärzte gelingt, die exakte Diagnose zu stellen.
Verletzungsmuster
Den Löwenanteil der Hüft- und Leistenverletzungen machen akute oder chronische Schädigungen der Muskulatur aus, dabei kommt es neben frischen Faserrissen zu Entzündungen im Bereich der Muskulatur oder der Muskelansätze, vor allem, wenn die Trainingsintensität gesteigert wird. Dabei kann der Körper, die durch jede Belastung entstehenden Mikroverletzungen nicht mehr rechtzeitig vor der nächsten Belastung reparieren. Dadurch wird das natürliche Gleichgewicht zwischen Verletzungsreiz und Regeneration gestört, eine Entzündung und Schmerzen sind die Folge. Mit einer Ultraschalluntersuchung kann oft eine erste Diagnose gestellt werden, eine Magnetresonanztomographie ist bei entzündlichen Prozessen sehr hilfreich, da diese ansonsten unerkannt bleiben können.
Dies gilt insbesondere auch für die Entzündung der Schambeinfuge (Symphysitis), welche durch einen Druck- und Belastungsschmerz im vorderen Beckenbereich gekennzeichnet ist und sehr hartnäckig und therapieresistent sein kann. Dabei kommt es durch meist chronische Überbelastung zu einer Instabilität der ansonsten straff verbundenen Beckenhälften. Intensive physiotherapeutische Maßnahmen, mit dem Schwerpunkt Stabilisierung und Kräftigung, bringen die Symptome meist zum Verschwinden.
Schleimbeutelentzündungen sind sehr häufig Folge eines neuen Belastungsreizes durch Wechsel des Untergrundes (Naturrasen-Hartplatz) oder der Schuhe. Aber auch ungleichmäßige Belastung beider Hüftgelenke bei unterschiedlichen Beinlängen oder unterschiedlich starker Muskulatur (dominantes Bein) kann die Ursache für Probleme sein. Auch bereits geringe Traumen können zu einer Reizung der Schleimbeutel beitragen. Daneben können Probleme von Seiten der Lendenwirbelsäule beziehungsweise des Kreuz-Darmbein-Gelenkes in Richtung Hüfte ausstrahlen und Schmerzen in diesem Bereich verursachen.
Diagnose und Therapie
Durch die Entwicklung der Hüftgelenksspiegelung (Arthroskopie) in den letzten Jahren hat sich das Verständnis für bestimmte Erkrankungen des Hüftgelenkes grundlegend geändert. Das sogenannte Impingement, eine Einklemmung zwischen dem Rand der Hüftpfanne und des Schenkelhalses bei Hüftbeugung und Innendrehung, konnte erst mit dieser Technik schonend behandelt werden. Weiters ist es durch den direkten Blick ins Hüftgelenk nun möglich, nur schwer zugängliche Strukturen wie das Labrum (Gelenkslippe) direkt zu sehen und chirurgisch zu behandeln.
Eine besondere Herausforderung in der Abklärung ist die sogenannte „Sportlerhernie“ oder „weiche Leiste“. Dabei handelt es sich im Gegensatz zum richtigen Leistenbruch lediglich um eine Überdehnung der Hinterwand des Leistenkanales und nicht um eine Vorwölbung durch den Leistenkanal. Richtungsweisend in der Diagnostik sind Schmerzen bei Belastung aber auch beim Husten und Niesen, zum Nachweis braucht es aber einen erfahrenen Ultraschall-Untersucher, um auch geringe Veränderungen darstellen zu können. Therapie der Wahl ist heute ein minimal invasives Verfahren bei dem die Leistenkanal-Hinterwand mit einem Kunststoffnetz verstärkt wird, was zur Beschwerdefreiheit führt.
Durch ein umfassendes athletisches Training mit den Schwerpunkten Becken- und Rumpfstabilisierung sowie Koordination, einem ausgewogenen Verhältnis von Kraft und Flexibilität, sowie mobilisierende Maßnahmen für Hüftgelenk, Lendenwirbelsäule, Kreuz-Darmbeingelenk und Symphyse kann Leistenbeschwerden bei Fußballspielenden vorgebeugt werden. Im Training sollte auf den richtigen Wechsel zwischen Belastungsintensität und Regeneration und auf adaptierte Belastungssteigerung geachtet werden. Erste klinische Symptome sollten immer respektiert und umgehend abgeklärt werden, um den Trainings- und Spielausfall möglichst kurz zu halten und Spätschäden zu vermeiden.