Kurz oder lang

Die Vor- und Nachteile des Kurzschafts in der Hüftgelenksprothetik

Dr. Florian Dirisamer - Orthopädie und Sportchirurgie, Puchenau bei Linz
Text: Florian Dirisamer und Christian Patsch

Die Geschichte der Hüftgelenksprothese ist eine Erfolgsgeschichte. Kaum ein anderer Eingriff wird in so großer Zahl und mit so großem Erfolg durchgeführt wie der Ersatz des zerstörten Hüftgelenks. Auch die Anzahl an Patienten, die auf Grund des guten Ergebnisses fast „vergessen“ am Gelenk operiert worden zu sein, ist bei keinem anderen Gelenkseingriff so hoch. Trotzdem wird ständig versucht die Operationsmethode und die verwendeten Implantate zu verbessern. Dies muss allerdings sehr behutsam erfolgen, da jede Veränderung potentiell auch zu einer Verschlechterung der Ergebnisse führen kann. Aktuell sind 98% der implantierten Prothesen nach zehn Jahren immer noch problemlos ohne Lockerung in Funktion. Diese Zahl erlaubt also wenig Luft nach oben für Verbesserungen.

 

 

Die Einführung des sogenannten „Kurzschaftes“ hat in den letzten Jahren für besonderes Aufsehen gesorgt. Was verbirgt sich dahinter und was sind die Vor- und Nachteile des Kurzschaftes?

Neben seiner – wie der Name schon sagt – Kürze, ist ein Kurzschaft in der Regel besonders anatomisch geformt. Dies erlaubt eine sehr schonende Implantation, die vor allem die Muskulatur nur in geringem Ausmaß beeinträchtigt. Hauptfaktor einer „minimal invasiven“ Operationstechnik ist also die Schonung der inneren Gewebeschichten und nicht so sehr der sicherlich auch angenehme kleinere Hautschnitt.

Deshalb gelingt es meistens, die Patienten schneller und problemloser zu rehabilitieren. Vor allem in der Frühphase nach der Operation benötigen solche Patienten weniger Schmerzmittel und sind früher selbstständig. War bislang ein großer Teil der postoperativen Physiotherapie der Wiederherstellung der Muskelfunktion gewidmet, berichten Physiotherapeuten nun von wesentlich schnellerem Fortschritt. Diese Vorteile gegenüber der herkömmlichen Operationsmethode mit „normalen“ Schäften – „Langschäfte“ kommen nur bei Wechseloperationen zum Einsatz – betreffen vor allem die ersten drei Monate nach dem Eingriff, gleichen sich dann sukzessive wieder an, und nach etwa sechs Monaten besteht weder bei der klinischen Untersuchung noch im subjektiven Empfinden ein wesentlicher Unterschied.

 

Normaler Schaft / Kurzschaft (rechts) im Vergleich

 

Es gibt aber sehr wohl auch Nachteile, die man nicht verschweigen darf. Es gibt aktuell keine Langzeitdaten über die Haltbarkeit von Kurzschäften. Da die Schäfte insgesamt durch die Kürze eine geringere Kontaktfläche mit dem Knochen haben, fallen potentielle beginnende Lockerungsprozesse natürlich mehr ins Gewicht. Zwar kann man auf Grund der kurz- und mittelfristigen Daten annehmen, dass auch Kurzschäfte ähnlich gute Langzeitdaten liefern werden, Evidenz diesbezüglich steht aber noch aus.

Auch können Kurzschäfte nicht bei allen anatomischen Gegebenheiten angewendet werden. Posttraumatische Fehlstellungen, Beinlängendifferenzen oder andere anatomische Varianten erfordern meist den Einsatz von konventionellen Implantaten.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Kurzschäfte für viele Patienten durch die raschere und unkompliziertere Rehabilitation Vorteile haben, dass mittelfristig die Ergebnisse gleichwertig sind, und die Langzeitergebnisse abzuwarten sind.

In jedem Fall wird bei fortgeschrittener Arthrose die Hüfttotalendoprothese die Lebensqualität der Patienten beträchtlich verbessern können.

Kurzschäfte können ohne wesentliche Traumatisierung der Hüftmuskulatur implantiert werden. Das bringt Vorteile in der Frühphase der Rehabilitation. Dr. Christian Patsch

Das Maß für eine minimal invasive Operationstechnik ist nicht die Länge des Hautschnittes, sondern die Behandlung der inneren Strukturen. Dr. Florian Dirisamer