Wandern als Therapie?
Wie Bewegung in der Natur auf unsere Psyche wirkt
Text: Mag. Marcella Stolz und Mag. Johannes Achammer
Wandern – nicht nur des Müllers Lust. Der entschleunigte Sport erfreut sich bei Jung und Alt wachsender Beliebtheit. Kaum eine körperliche Betätigung ist so niederschwellig und naturnah. Und dank der großen Auswahl an verschiedenen Längen und Schwierigkeitsgraden ist für alle Fitnesslevels etwas dabei. Doch der Sport tut nicht nur dem Körper gut – auch Geist und Seele profitieren von der Bewegung im Freien. Die klinischen und Gesundheitspsychologen Mag. Marcella Stolz und Mag. Johannes Achammer der Privatklinik Hochrum sprechen im Interview über diese gesamtheitlichen Zusammenhänge.
Wie wird unsere Psyche während des Wanderns beeinflusst?
Beim Wandern wirken viele positive Reize auf die Psyche ein, wie z.B. die verbesserte Sauerstoffversorgung an der frischen Luft, die Farben und Gerüche der Natur und nicht zuletzt die damit verbundene Auszeit von der modernen Technologie. Stress wird abgebaut, während Motivation, Konzentrationsfähigkeit, Kreativität und Problemlösekompetenzen steigen.
Gibt es auch Langzeiteffekte für unsere psychische Gesundheit?
Langfristig sinkt das Risiko psychischer Erkrankungen wie Depression oder Burnout. Auch demenzielle Erkrankungen können durch das Wandern zumindest hinausgezögert werden.
Bedeutet das, dass Wandern auch therapeutisch eingesetzt werden kann?
Es ist wissenschaftlich belegt, dass Wandern physisch und psychisch therapeutisch wirksam ist. Der große Vorteil gegenüber einer medikamentösen Behandlung ist, dass es keine unerwünschten Nebenwirkungen gibt.
Und umgekehrt: Welche psychische Einstellung hilft beim Wandern, z. B. wenn man chronische Schmerzen hat und vom Arzt Bewegung empfohlen wird?
Gerade Menschen mit chronischen Schmerzen neigen dazu, Bewegung zu vermeiden, ja sogar in einer Schonhaltung zu verharren, aus Angst davor, die Beschwerden zu verstärken. Dies bedeutet Stress für Körper und Psyche und führt zu Anspannungen in der Muskulatur. Diese wiederum intensivieren den Schmerz. Auf diese Weise entsteht ein Teufelskreis, den man leicht durchbrechen kann, wenn man ihn erkannt hat. Auch wenn die Schmerzen vielleicht kurzfristig vermehrt auftreten, auf lange Sicht wird sich eine Besserung einstellen.