Die dritte Zerrung in vier Wochen?
Nein, immer noch die Erste!
Text: Thomas Zeiger
Prellung, Verhärtung, Zerrung, Faserriss, Bündelriss, Abriss – der Grad der Verletzung ist entscheidend für das Ausmaß der Sportabstinenz und das Behandlungsregime. Belastet man den Muskel zu früh, aktiviert man dieselbe Verletzung immer wieder.
Die ohnehin enden wollende Geduld des Hobbysportlers bei einer „Zerrung“, wird durch Pressemeldungen oft zusätzlich auf die Probe gestellt und erhöht den Druck auf den Therapeuten. Liest man, dass ein Fußballer drei Wochen nach einem Faserriss wieder spielt, dann war jedenfalls die Diagnose falsch und es handelte sich maximal um eine Zerrung. Um eine Muskelverletzung optimal behandeln zu können und den Sportler/ den Patienten schnellstmöglich wieder in den (Sport-)Alltag zurückzubringen, bedarf es einer möglichst genauen Diagnose durch einen Arzt. Eine MRT- oder Ultraschalluntersuchung ist angezeigt, um das exakte Ausmaß der Verletzung festzustellen.
In der Physiotherapie wird beim Erstgespräch hinterfragt, wie es zur Verletzung gekommen ist. Beim Befunden wird mittels verschiedener Tests und der Palpation der Muskel begutachtet. Handelt es sich nun um eine Muskelprellung, eine Muskelverhärtung, eine Muskelzerrung, einen Muskelfaserriss, einen Muskelbündelriss oder sogar den (Ab-)Riss eines gesamten Muskels?
Die Behandlung hängt von der Art der Verletzung und dem Verletzungszeitpunkt ab. Jedenfalls gilt, je später man die verletzte Struktur behandelt, umso länger dauert der Heilungsprozess.
In der Akutphase gilt die Behandlung nach dem PECH-Schema (Pause, Eis-, Compression- und Hochlagern des betroffenen Gewebes) als goldener Standard. Begleitende Medikation mit Enzympräparaten (wie KaRazym) ist bei uns Usus. Sie unterstützt die Selbstheilung des Gewebes und vermindert gleichzeitig inflammatorische Vorgänge. Die Wiederherstellung der normalen Muskelfunktion wird dadurch beschleunigt. Unsere Beobachtungen sind inzwischen auch durch Studien belegt.
Therapie
Eine Muskelprellung (klassischer Auslöser ist ein Schlag auf den angespannten Muskel) wird mit einer manuellen Lymphdrainage behandelt, um die (meist) vorhandene Schwellung zu reduzieren. Strom- und Ultraschallbehandlung sind Bestandteil einer umfassenden Therapie. Schon wenige Tage nach der Verletzung sollte eine sportliche Betätigung wieder möglich sein. Bei großen Schädigungen kann es im schlimmsten Fall zu einem sogenannten Kompartmentsyndrom kommen. Dies ist ein Kompressionssyndrom, bei welchem der Gewebedruck in den vorgegebenen Muskellogen über 15mmHg ansteigt und zu einem Dauerschmerz, in letzter Konsequenz zu einem Absterben des betroffenen Gewebes führt.
Zu einer Muskelverhärtung kommt es meist durch Überbelastung und Ermüdung des Muskels. Durchblutungsfördernde Maßnahmen wie auflockernde Massagen, Ultraschall und Strom sorgen dafür, dass sich das Gewebe wieder regeneriert, die deutliche Muskelspannung abnimmt und man in ein bis drei Tagen wieder vollständig belastbar ist.
Ein falscher, schneller Schritt und die Muskelzerrung ist da. Eine sofortige Entspannung des betroffenen Areals mittels leichter Massagen und Elektrotherapie ist oberstes Gebot. In den Folgetagen wird dieses Programm mit vorsichtigem Dehnen, Radfahren und in der Folge mit langsamen Laufen ergänzt. Wichtig ist es, im schmerzfreien Bereich zu bleiben und die Intensität langsam zu steigern.
Bei hohen Belastungsspitzen, massiven Traumata, oft gepaart mit schlechter Vorbereitung und mangelhaftem Aufwärmen, kann es zu einem Riss von einzelnen Fasern, einem ganzen Faserbündel oder des gesamten Muskels kommen. Den Schmerz spürt man sofort und Leistung, Beweglichkeit und Kraft sind eingeschränkt oder komplett unmöglich. Meist ist eine Delle oder Lücke im betroffenen Gebiet zu ertasten. Auch hier wird als erstes die PECH-Regel angewandt. In den nächsten Tagen/Wochen wird versucht mit Hilfe von physikalischen Maßnahmen wie Lypmhdrainagen, Massagen, Elektrotherapie, Ultraschall und später Wärmeanwendungen, Schmerzen und Schwellung zu reduzieren. Dehnung im betroffenen Bereich sollte für drei Wochen nicht durchgeführt werden und auch starke Behandlungen, wie Querfriktionen, sind in den ersten zwei Wochen tabu. Liegt die Verletzung im sehnigen Anteil des Muskels ist auch eine Laserbehandlung indiziert. Die Unterstützung der Low-Level-Lasertherapie bei der Wundheilung und die entzündungshemmende Wirkung sind durch Studien belegt. Ist die Verletzung zu gravierend, muss auch über eine mögliche Operation nachgedacht werden.
Generell ist es wichtig nach Muskelverletzungen langsam die Belastung zu steigern und sich immer im schmerzfreien Bereich aufzuhalten. Man muss immer im Auge haben, dass das betroffene Gewebe für erneute Verletzungen deutlich anfälliger ist. Ordentliches Aufwärmen ist enorm wichtig, um muskuläre Verletzungen zu vermeiden und sollte fixer Bestandteil jeder sportlichen Belastung sein. Adäquates Kraft- und Koordinationstraining hilft dem Muskel, widerstandsfähiger zu werden, denn nur mit einem gesunden, kräftigen und gut erholten Muskel, macht die sportliche Belastung Spaß.