Herr Doktor, können S’ mir noch einen Kniestrumpf verordnen?

Kaum ein Heilbehelf erfreut sich so einer Nachfrage wie Kniebandagen. Doch, was kann ein Kniestrumpf wirklich, wann ist er vernünftig und wann vielleicht sogar kontraproduktiv?

Dr. Florian Dirisamer - Orthopädie und Sportchirurgie, Puchenau bei Linz
Text: Florian Dirisamer und Christian Patsch

Kniebandagen gibt es wie Sand am Meer. Unterschiedlichste Materialien, Farben, Größen, mit oder ohne eingebauten Stützgelenken, mit Kniescheibenführung oder ohne – das Angebot ist fast unüberschaubar. Grundsätzlich sind Kniebandagen ein Stütz- und Schutzverband. Die stabilisierende Wirkung ist dabei immer einer Schiene (Orthese) unterlegen. Ein Kniestrumpf kann daher ein gerissenes Band nicht ersetzen, er kann aber – in gewissem Umfang – unterstützen. Bei manchen Sportarten macht dies durchaus Sinn, gerade dann, wenn damit auch eine gewisse Schutzfunktion durch die Polsterung der Bandage erreicht wird. Bei Hallensportarten (Volleyball, Handball) wird diese Funktion gerne genützt.

 

Kniestrumpf

 

Durch die lokale Kompression und die Reizung von Hautrezeptoren durch das verwendete Material kann es, abhängig vom verwendeten Produkt, auch zu einer verbesserten Durchblutung und Erhöhung des Muskeltonus kommen. Gerade bei chronischen Kniegelenkserkrankungen wie der Arthrose kann dies subjektiv zu einer Erleichterung der Beschwerden führen.

Die Hauptanwendung von Bandagen liegt im prophylaktischen, seltener im therapeutischen Bereich – da braucht man oft die höherwertigen Orthesen. Wichtig ist die genaue Überlegung was mit einem Kniestrumpf erreicht werden soll, um das richtige Modell auszuwählen. Die Standardbandage von Amazon, aus dem Drogeriemarkt, oder der Apotheke wird das in den seltensten Fällen sein. Die ärztliche Verordnung ist hier wesentlich. Dabei spielen die Frage nach der Indikation und der gewünschte Anwendungszweck eine entscheidende Rolle. Auch die Materialauswahl ist wichtig. Eine klassische Neoprenbandage in Schlauchform wird beim Radfahren kaum funktionieren, weil sie in der Kniekehle unangenehme Falten bilden wird. Die Passform und Größe der Bandage muss genau bedacht werden. Der Kniestrumpf kann nur gut funktionieren, wenn er optimal sitzt und nicht rutscht. Der Orthopädietechniker kann gegebenenfalls Bandagen sogar individuell anfertigen, wenn konfektionierte Modelle nicht passen.

 

Kniestrumpf

 

Bei Durchblutungsstörungen und Lymphabflussbehinderungen sollten Kniebandagen nicht oder nur nach ärztlicher Rücksprache verwendet werden. Auch bei lokalen Wunden im Anwendungsgebiet ist der Einsatz nicht möglich. Strumpf ist also nicht gleich Strumpf. Ein individueller und differenzierter Zugang, der die Indikation und den Einsatzbereich des Hilfsmittels berücksichtigt, ermöglicht es, ein optimal passendes Modell auszuwählen. Ein Kniestrumpf macht vielfach Sinn, aber sicher nicht jedes Knie muss mit einer Bandage behandelt werden.