Reine Nerven­sache?

Das Zusammenspiel von Schulter und Wirbelsäule

Dr. Pierre-Pascal Girod Facharzt für Neurochirurgie
Text: Dr. Pierre-Pascal Girod, Facharzt für Neurochirurgie

Schulterschmerzen müssen nicht unbedingt in der Schulter entstehen. Denn Probleme in der Wirbelsäule, etwa Fehlhaltungen oder Bandscheibenvorfälle, können sich direkt auf die Schulterregion auswirken. Umgekehrt können auch Schulterverletzungen oder muskuläre Dysbalancen die Wirbelsäule belasten und zu Beschwerden im Halswirbelsäulen- bzw. oberen Rückenbereich führen. Im Gespräch mit Leben à la carte erklärt Dr. Pierre-Pascal Girod, Facharzt für Neurochirurgie, die Zusammenhänge im Detail und legt dar, worauf Spezialist:innen bei der Diagnostizierung und Behandlung achten.

 

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Mithilfe bildgebender Verfahren kann die Orthopädin bzw. der Orthopäde diagnostizieren, ob die Schulterbeschwerden von der Halswirbelsäule ausgehen. Foto: www.istockphoto.com / Cucurudza

 

Wie genau können sich Schulterprobleme auf die Wirbelsäule auswirken? Im Allgemeinen gibt es keinen direkten Zusammenhang von Schulterpathologien wie Verletzungen oder degenerative Schäden und Wirbelsäulenschmerzen. Allerdings kann die Schon-Schutzhaltung mit angespannter und hochgezogener Schulter zu muskulären Verspannungen führen, die wiederum Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in die Schulter bzw. Achsel verursachen können.

Und andersherum – wie könne sich Probleme der Wirbelsäule beim Schultergelenk bemerkbar machen? Umgekehrt kann eine knöcherne Enge oder ein Bandscheibenvorfall bzw. im schlimmeren Fall ein Trauma oder Tumor eine Verengung der Nervenaustrittslöcher in der Wirbelsäule bewirken. Dieses sogenannte Nervenwurzelsyndrom strahlt schmerzend in die Schulter bzw. den Arm aus und geht unter Umständen mit Lähmungen der Muskulatur und dadurch eingeschränkter Beweglichkeit des Schultergelenks einher.

Wie gehen Sie bei der Diagnostizierung vor? Typischerweise gehen die Patienten zuerst zum Hausarzt, der eine Einschätzung der Situation vornimmt und den Patienten zum Orthopäden-Traumatologen bei Schulterbeschwerden oder zum Wirbelsäulenspezialisten bei Verdacht auf eine Nervenwurzelläsion schickt. Zur Diagnosesicherung ist in beiden Fällen ein MRT ggf. CT notwendig und natürlich die körperliche Untersuchung.

Wie sieht die Behandlung aus bzw. wann ist eine OP notwendig? In den meisten Fällen, wenn nur Schmerzen bestehen, wird für mindestens sechs Wochen die konservative Therapie favorisiert – mit Schmerzmitteln und ggf. Infiltrationen. Bei therapieresistenten Schmerzen oder relevanten Lähmungen der Muskulatur wird dem Patienten zur chirurgischen „Dekompression“ im Rahmen einer Standardoperation des betroffenen Nervens geraten.