Leben ala Carte 2403 – MEDIZIN

ECHT HIP

Erfolgsstory Hüftendoprothetik

Dr. Peter Gföller - Gelenkpunkt
Text: Priv. Doz. Dr. Peter Gföller

Die Entwicklung der modernen Hüft­endoprothetik ist eine wahre Erfolgsgeschichte. Durch schonende, minimalinvasive Operationstechniken, die stetige Weiterentwicklung des Prothesendesigns und die Verwendung mo­dernster Materialien hat sich die Lebensdauer der Implantate deutlich verbessert. Für aktive Pa­tienten gibt es kaum noch Einschränkungen in der Sportausübung. Pro Jahr werden in Österreich etwa 18.000 Hüftgelenksersatz-OPs durchgeführt, was hinter der Schweiz und Deutschland den dritten Platz in Bezug auf die Implantationsdichte bedeutet.

 

Foto: BRECHEIS
Foto: BRECHEIS

Geschichte

Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die ersten sogenannten Arthroplastiken durchgeführt. Dabei wurde ein Teil des, durch eine Verletzung oder Infektion (Tuberkulose) zerstörten, Gelenkes entfernt, um die Funktion zu verbessern. Etwa 100 Jahre später begann man, den entfernten Gelenksteil durch ein Implantat aus z.B. Elfenbein, Holz und später auch Plexiglas zu ersetzen. Häufige Infektionen und das Versagen des Materials führten zu nicht zufriedenstellenden Ergebnissen. Mit der Entwicklung eines gut körperverträglichen Materials, einer Chrom-Cobalt-Molybdän-Legierung, gelang dem norwegisch stämmigen Amerikaner Marius Smith-Petersen 1938 der Durchbruch. Der Brite John Charnley verwendete in den 70er Jahren erstmals Kunststoff (Polyäthylen) als Pfannenwerkstoff und fixierte die Komponenten mit Knochenzement. Dieser wird jedoch aufgrund verbesserter Prothesenformen, die eine sehr gute Primärstabilität gewährleisten, immer weniger verwendet. Das Grundprinzip der Hüftprothese, wie wir sie heute kennen, war geboren. Sie besteht aus einem Prothesenschaft, der im oberen Teil des Oberschenkels verankert wird. Auf diesen wird ein Hüftkopf aus Keramik gesteckt. Als Pfannenersatz wird eine Titanschale in den Becken­knochen und in diese wiederum ein sogenanntes Inlay aus Kunststoff oder Keramik eingebracht, das die Pfanne auskleidet. Die Entwicklung blieb nicht stehen. Beim Prothesenmaterial setzte sich Titan aufgrund seiner hervorragenden Verträglichkeit durch. Das anfänglich einfache Polyäthylen wurde durch stetige Verbesserung zum High-Tech Material mit extremer Langlebigkeit. Der Abrieb, der sich gegeneinander bewegenden Komponenten konnte durch den Einsatz von Prothesenköpfen und Pfanneninlays aus Keramik auf ein Minimum gesenkt werden.

 

© Gelenkpunkt
© Gelenkpunkt

Vorbereitung

Schon vor der geplanten Operation können Pa­tienten einiges beitragen, um den Rehabilitations­prozess möglichst kurz zu halten und Komplikationen zu vermeiden. Bleiben Sie weiter möglichst aktiv, um eine gut ausgebildete gelenksumspannende Muskulatur zu erhalten. Stellen Sie sicher, dass Entzündungen abgeheilt sind, dazu gehören insbesondere Infektionen der Zähne, des Harntraktes und offene Wunden an den Beinen. Durch solche Infektionsherde könnten Keime in die Blutbahn eingeschwemmt werden und sich im OP-Gebiet festsetzen. Auch wenn es sehr schwerfällt, mit einem schmerzenden Gelenk Bewegung zu machen sollten sie auf ihr Gewicht achten, denn die Komplikationsrate nach der Operation steigt bei Übergewichtigen und bei Rauchern deutlich.

 

Nachbehandlung

Eine physiotherapeutische Nachbehandlung ist von essenzieller Bedeutung für ein gutes postoperatives Ergebnis. Ein stationärer Rehabilitationsaufenthalt ist nicht zwingend nötig. Auch ambulant gelingt der Einstieg in den Alltag und die Rückkehr zu sportlicher Betätigung, unter Anleitung eines erfahrenen Physiotherapeuten und Trainers, problemlos. Ein individuelles Dehnungs- und Aktivitätsprogramm für zuhause beschleunigt die Genesung. Der Weg zur Genesung konnte durch den Einsatz neuer, weichteilschonender Operationstechniken deutlich verkürzt werden. Mit minimal-invasiven Methoden gelingt es, die Dauer der Teilbelastung zu minimieren, das Schmerzniveau nach dem Eingriff auf ein Minimum zu senken und somit eine rasche Wiederherstellung des gewohnten Aktivitätslevels zu erreichen.

 

Foto: BRECHEIS
Foto: BRECHEIS

Direkter Zugang

Der in Mitteleuropa am häufigsten verwendete Zugang zum Hüftgelenk ist der „direkt anteriore Zugang”, dabei kann das Gelenk schonend von schräg vorne erreicht werden. Durch mehrere natürliche Lücken zwischen den verschiedenen Muskeln gewinnt der Operateur direkt Einsicht auf das zerstörte Gelenk und kann unter Vermeidung von Gewebsschäden das neue Gelenk einsetzen. Mittlerweile geschieht das meist zementfrei, das heißt es wird kein Knochenzement für die Verankerung verwendet. Durch die spezielle Form und Oberfläche der Implantatkomponenten ist von Beginn an eine sehr gute Stabilität gegeben und die Prothese kann in den Knochen einwachsen. Dieser Prozess dauert etwa drei Monate. So lange sollten extreme Belastungen wie Schifahren oder Springen vermieden werden.

 

Gelenksersatz und Sport

Die Empfehlungen für die Sportausübung wurden lange nicht an die verbesserten Voraussetzungen angepasst. Neuere Studien konnten zeigen, dass auch früher nicht empfohlene Sportarten gefahrlos ausgeübt werden können. In der Praxis ist die Erlaubnis zur Ausübung verschiedener Sportarten stark vom behandelnden Arzt abhängig, wobei erfahrenere Chirurgen ihren Patienten meist mehr zutrauen. In letzter Zeit konnte auch gezeigt werden, dass sogar ehemals verbotene Betätigungen zu keinen verkürzten Überlebensraten des künstlichen Gelenks führen und eine kräftige Muskulatur im Hüftbereich das neue Gelenk schützt und Stürzen vorbeugt. Als prinzipiell ungefährlich gelten sogenannte „Low Impact” Sportarten wie Wandern, Golf, Schwimmen, Radfahren, langsames Joggen, Tanzen und im Winter Langlaufen, Schitouren und Schneeschuhwandern. Als unproblematisch werden weiters Sportarten gesehen, bei denen es zu keinem Gegnerkontakt kommt, wie Tennis, Volleyball oder Reiten. Ein besonderes Augenmerk gilt Betätigungen, die eine extreme Beugung im Hüftgelenk erfordern. Dabei kann es in seltenen Fällen zum Herausspringen des Hüftkopfes aus der Pfanne (Luxation) kommen. Durch Verwendung größerer Hüftköpfe und moderner minimal-invasiver OP-Techniken konnte die Luxationsgefahr jedoch deutlich gesenkt werden, sodass auch Rudern, Yoga und Balletttanz von der Liste der verbotenen Sportausübungen verschwunden sind. Auf der „roten Liste“ der weiterhin nicht empfehlenswerten sportlichen Betätigungen stehen extreme Ausdauerbelastungen, alle Kontaktsportarten (Fußball, Handball, Eishockey) und Kampfsportarten wie Judo und Ringen. Dabei ist weniger der Verschleiß der Prothesenkomponenten das primäre Problem, sondern die Gefahr in der Unkontrollierbarkeit der Bewegungen durch Gegnereinfluss, wodurch das Verletzungsrisiko deutlich steigt.

 

Conclusio

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ein Sportverbot nach künstlichem Gelenksersatz nicht mehr zeitgemäß ist. Vielmehr sollten Patienten zu moderater Sportausübung ermutigt werden, um das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern, das Herz- Kreislaufsystem zu trainieren und nicht zuletzt mit einer gestärkten Muskulatur zum Schutz des neuen Gelenkes beizutragen. Der neue Grundsatz sollte lauten: Alle Sportarten, die vor der Hüftprothese sicher ausgeübt werden konnten, dürfen auch (mit wenigen Ausnahmen) nach einer Einheilungsphase und gezielter physiotherapeutischer Vorbereitung wieder betrieben werden.