Sehen, Bewegung & Gesundheit
Text: Ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Kieselbach, Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie
Zwischen Sehen, Bewegung und Gesundheit besteht ein enger Zusammenhang, mehr noch eine wechselseitige Abhängigkeit, wie aktuelle Studien beweisen. Leben à la carte sprach darüber mit dem Leiter des Augenzentrums Hochrum in der Privatklinik Hochrum, Herrn A. o. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Kieselbach, Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Sehen und dem Ausführen einer Bewegung? Nur wenn ein Mensch auf beiden Augen gut sieht, entsteht ein räumliches Bild und er oder sie kann sich sicher im Raum bewegen, egal ob es um Laufen oder um Spazieren im Wald geht. Ein gutes Sehen ist eine elementare Voraussetzung für unfallfreie Bewegung. Dies beweist zum Beispiel der Zusammenhang zwischen Cataract-Operationen, also Operationen gegen den grauen Star, und der Häufigkeit von Hüftendoprothesen. Menschen, die wegen eines Cataracts schlecht sehen, verletzen sich signifikant häufiger an der Hüfte als jene, die bereits gegen den grauen Star operiert wurden und wieder gut sehen können.
Ist es Patienten manchmal gar nicht bewusst, dass sie schlecht sehen? Wir hören oft nach einer Grauen-Star-OP, dass Menschen erstaunt über ihr wiedererlangtes Sehvermögen sind und sich gar nicht bewusst waren, dass sie schlecht gesehen haben. Es ist dies das Dilemma, dass man ab 60 Jahren häufig in einem Trott lebt und glaubt, es sei so, wie man es sieht. Übrigens betrifft das nicht nur das Thema Bewegung. In aktuellen Studien wurde nachgewiesen, dass bei Menschen, die frühzeitig gegen Cataract operiert werden, das Demenz-Risiko deutlich abnimmt. Das heißt Sehen und neurologische Veränderungen hängen zusammen. Sehen trainiert sozusagen das Kleinhirn. Damit sind wir wieder bei der Bewegung, denn dieses ist ja auch für alle Bewegungsabläufe verantwortlich. Auch die Schlafqualität hängt auf Grund der Melatoninproduktion vom Sehen ab. Diese Zusammenhänge sind mit Hunderttausenden Patientendaten abgesichert.
Welche Gefahren gehen somit mit einem schlechten Sehvermögen einher? Als erstes das Verletzungsrisiko durch Unfälle aller Art beim Sport und natürlich auch im Straßenverkehr. Aber es gilt ganz generell: Wenn die Leute weniger sehen, machen sie weniger Bewegung. Damit geht Muskelmasse verloren und die Herzfunktion wird schlechter. So entsteht eine Spirale – weniger Sehen, weniger Bewegung, das Sehen verschlechtert sich weiter, die Bewegungshäufigkeit nimmt weiter ab.
Was kann die Augenheilkunde beitragen, diesen Prozess zu unterbrechen? Wir müssen danach trachten, die Menschen rechtzeitig zu behandeln. Das betrifft die Operation bei grauen Star ebenso, wie andere altersbedingte Sehstörungen etwa die Makuladegeneration. Zum Glück stehen auch hier mittlerweile Therapien zur Verfügung, die tatsächlich helfen. Übrigens gilt auch der Umkehrschluss: Dank der extrem hohen Patientendaten wissen wir, dass bei Menschen, die sich ihr Leben lang viel bewegen, also auf neudeutsch einen vernünftigen Life-Style pflegen, altersbedingte Verschlechterungen des Sehens viel später eintreten, als bei den sogenannten Couchpotatos. Wer sich viel bewegt und nicht raucht, erleidet wesentlich seltener eine Makuladegeneration. Dieser Zusammenhang ist enorm – wir denken meistens an die Herzgesundheit. Genauso wichtig ist aber auch die Augengesundheit, beziehungsweise hängt die eine von der anderen vice versa ab. Bewegen Sie sich viel im Freien und Sie werden länger besser sehen. Und wenn Sie den Eindruck haben, dass sich Ihr Sehvermögen verschlechtert – ab zum Augenarzt, bevor Sie Ihr Bewegungskontingent abbauen.