Arthrose versus Arthritis
Ein Fall für die Innere Medizin
Text: Univ.-Doz. Dr. Michael Fiegl, Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Geriatrie, betreut als ärztlicher Direktor der Privatklinik Hochrum auch zahlreiche Arthrose-Patienten
Bevor die richtige Behandlung einer Arthrose gewählt werden kann, muss sicher geklärt werden, was die rheumatischen Gelenkschmerzen ursächlich auslöst. Über die verschiedenen Arten der Arthrose sprach „Leben à la carte“ mit dem ärztlichen Direktor der Privatklinik Hochrum, Univ.-Doz. Dr. Michael Fiegl, Facharzt für Innere Medizin.
Leben à la carte: Welche Formen der Arthrose gibt es und welche Rolle spielt dabei das Fach der Inneren Medizin?
Dr. Fiegl: Die Innere Medizin ist bei dieser Krankheit der richtige Erstansprechpartner. Es gilt, einen genauen klinischen Status zu erheben. Dies geschieht zunächst rein durch Betasten, Drücken und eine umfassende Wahrnehmung des schmerzenden Gelenks und seiner Bewegungseinschränkung. Wichtig ist zu unterscheiden, ob nur ein Gelenk betroffen ist oder ob eine Symmetrie vorliegt, z. B. ob beide Knie schmerzen, und auch wie weit der Schmerz ausstrahlt, ob z. B. nur das Hand- oder auch die Fingergelenke betroffen sind. Von Bedeutung ist ferner, wie lange die Beschwerden bereits bestehen und wie sie sich im Laufe des Tages verändern. Z. B. kann der Faustschluss bei der sogenannten Morgensteifigkeit sehr schmerzhaft bis unmöglich sein. Über diese Fragen hinaus hilft die Radiologie mit Röntgen und MRT sowie die Laboruntersuchung („Rheuma-Parameter“ incl. Entzündung) bei der Erstellung einer präzisen Diagnose. Mit diesen Untersuchungen lassen sich die grundsätzliche Unterscheidung zwischen abnützungsbedingten rheumatischen Gelenkschmerzen und entzündlichem Rheuma treffen.
Kann dies auch der Laie unterscheiden?
Eine kleine Faustregel besagt, dass Patienten mit abnützungsbedingtem Rheuma instinktiv ein Bedürfnis nach Wärme verspüren, z. B. Handschuhe, Knie- oder Ellenbogenwärmer möchten. Bei entzündungsbedingten rheumatischen Schmerzen verlangt der Körper nach Kälte mit Umschlägen oder einer Eisauflage. Aber die Schmerzwahrnehmung an sich ist individuell sehr unterschiedlich. Ich kenne relativ junge Erwachsene, die bereits über abnützungsbedingte Gelenkschmerzen klagen. Andere nehmen solche Schmerzen erst im hohen Alter wahr. Gelenkschmerzen bei Abnützung entsprechen ganz allgemein einer Arthrose, bei Schmerzen wegen Entzündung im Gelenk steht die Diagnose Arthritis. Dabei kann das eine auch das andere auslösen. Z. B. kann ein aufgrund von Abnutzung empfindliches Kniegelenk sich durch intensive Beanspruchung nach einer Bergtour entzünden, also die Arthrose zur Arthritis führen.
Warum ist die Unterscheidung in abnutzungs- oder entzündlich bedingt so wichtig?
Ganz einfach, um die richtige Behandlung zu wählen. Ein rein abnutzungsbedingt schmerzendes Gelenk ist ein Fall für Orthopädie und Physiotherapie. Entzündungen hingegen gehören ins Fach der Inneren Medizin, speziell zum Rheumatologen. Es gilt, die Ursachen zu finden und frühzeitig zu behandeln. Z. B. ist dies bei der Polyarthritis extrem wichtig, um die Gelenke zu schützen, damit Destruktionen wie Versteifungen erst gar nicht entstehen. Es werden entzündungshemmende Medikamente und sog. Immunsupressiva eingesetzt. Bei einer Gicht-Diagnose kommen spezifische Medikamente zur Senkung des Harnsäurespiegels zum Einsatz. Eine andere Erkrankung, der ich häufig begegne, heißt reaktive Arthritis, eine sehr schmerzhafte, plötzlich und stets einseitig auftretende Gelenkentzündung. Zumeist tritt diese Form der Arthritis nach Viren- oder Bakterieninfektionen auf, vermutlich aufgrund einer Autoimmunreaktion. Glücklicherweise bekommen wir auch diese Erkrankung – wie die meisten Entzündungen – relativ einfach und rasch mit Medikamenten unter Kontrolle.