Tunnelsperre

Volkskrankheit Karpaltunnelsyndrom

Jürgen Kleinrath
Text: Jürgen Kleinrath

Wenn eine Erkrankung die Bezeichnung Volkskrankheit verdient, dann ist es wohl das Karpaltunnelsyndrom. Erst 1854 hat Sir James Paget einen Zusammenhang zwischen den sehr häufig auftretenden Symptomen und einer Einengung des Mittelhandnervs erkannt. Es dauerte bis zum Jahre 1933, um eine operative Lösung und somit eine Heilungsmöglichkeit zu finden.

 

Flaschenzeichen: Durch die ungenügende Abspreizung des Daumens beim Versuch einen runden Gegenstand, z. B. ein Glas zu umgreifen liegt die Hautfalte der an der rechten Hand nicht vollständig dem Glas an
Flaschenzeichen: Durch die ungenügende Abspreizung des Daumens beim Versuch einen runden Gegenstand, z. B. ein Glas zu umgreifen liegt die Hautfalte der an der rechten Hand nicht vollständig dem Glas an

Was ist das Karpaltunnelsyndrom (auch CTS oder KTS)?

Unter CTS versteht man die Kompression des Mittelhandnerv (Nervus medianus) innerhalb seines knöchernen Tunnels in der Hohlhand, der nach oben durch das sehr derbe quere Hohlhandband (Lig. carpi transversum) begrenzt wird. Neben dem Mittelhandnerv verlaufen auch alle Beugesehnen der Hand durch diesen Kanal. Kommt es zu einer Schwellung der Sehnenscheiden und der Nervenscheide, bleibt für den Nerv selbst zu wenig Platz und er gerät unter Druck.

Dadurch werden die einzelnen Nervenfasern geschädigt, was in weiterer Folge zu vorübergehenden und später andauernden Symptomen führt. Diese äußern sich sowohl durch Gefühlsstörungen und Taubheitsgefühl, als auch durch Krafteinbußen in der Muskulatur des Daumenballens.

 

Angezeichneter Hautschnitt bei offener Karpaltunnel­operation
Angezeichneter Hautschnitt bei offener Karpaltunnel­operation

Wie entsteht das CTS?

Einerseits besteht eine familiäre Neigung durch besonders enge knöcherne Hohlhandtunnels. Andererseits gibt es sowohl berufliche, als auch sportliche Überlastungen, welche ein CTS verursachen können, außerdem können Verletzungen und dabei insbesondere Knochenbrüche und Verrenkungen im Bereich des Handgelenks und der Handwurzel Ursache für die Entstehung sein. Auch rheumatische Erkrankungen und hormonelle Veränderungen, wie etwa in der Schwangerschaft, spielen eine Rolle.

Seit vielen Jahren ist das CTS als Berufskrankheit anerkannt. Neben den als Computerkrankheit sehr bekannten Symptomen durch arbeiten mit Tastatur und Maus, gibt es eine lange Liste risikoreicher Berufe wie beispielsweise Fließbandarbeiter, Gärtner, Hausfrauen, Musiker, Bauern, Mechaniker, Fabriks-, Bau- oder Fließbandarbeiter in der Automobilindustrie, Forstarbeiter beim Umgang mit handgehaltenen vibrierenden Werkzeugen, Steinbohrer, Geflügelverarbeiter, Kassierer im Supermarkt, Masseure, Polsterer und viele mehr. Sportarten, die zu chronischen Schäden des Mittelhandnerv führen können, sind v.a. Fahrradfahren, Golf, Tennis und Sportklettern.

 

Durch chronische Kompression des Mittelhandnervs kommt es zu einer dauerhaften Schädigung der Hohlhandmuskulatur
Durch chronische Kompression des Mittelhandnervs kommt es zu einer dauerhaften Schädigung der Hohlhandmuskulatur

Welche Symptome verursacht das CTS?

Die klassischen Frühsymptome des CTS sind eingeschlafene Hände, welche zuerst nur nachts, später auch tagsüber auftreten. In weiterer Folge treten Gefühlsstörungen – beginnend an der Kuppe des Mittelfingers, später an Ringfinger und Daumen – auf. Anfangs ist die Hand eher schweißig und kalt, im späteren Stadium kommt es zu Austrocknung und fehlender Schweißbildung. Die Symptome treten häufig beidseitig auf. In den meisten Fällen klagen die Patienten über brennende Schmerzen – ausstrahlend über den Unterarm bis in die Schulter hinauf -, die vor allem in der Nacht besonders quälend sind. Ein Schütteln des Arms vermindert die Symptome häufig. Wird das CTS in diesem Stadium nicht behandelt, kann es zu einem vollständigen Gefühlsausfall der ersten drei Finger kommen, das zeigt sich bei feinen Tätigkeiten, wie Knöpfe Zumachen oder Nadel Einfädeln, außerdem schwindet die Muskulatur des Daumenballens, was zu einer scheinbar schmäleren Hand führt. Diese Muskelschwäche wird durch nachlassende Kraft beim Halten von Gegenständen wie z.B. Gläsern spürbar.

Was mache ich, wenn mir solche Symptome auffallen?

Der erste Ansprechpartner ist der Hausarzt, der Sie zu einem Orthopäden oder Neurologen weiterleiten wird. Neben einer gründlichen klinischen Untersuchung ist vor allem die verminderte Nervenleitgeschwindigkeit für die Diagnose entscheidend. Wann und wie wird ein CTS behandelt? Im Frühstadium reichen konservative Maßnahmen, wie das Tragen einer Nachtlagerungsschiene, und/oder entsprechende ergonomische Hilfsmittel an Arbeitsplatz oder Sportgeräten (Tastatur, Maus, Griffe bei Fahrrädern oder Ähnliches). Medikamentös kann in Form von entzündungshemmenden Tabletten oder durch Infiltration mit Kortison behandelt werden. Alternative Behandlungen wie Akupunktur können in der frühen Phase, aber auch bei schwangerschaftsbedingtem CTS gute Erfolge zeigen. Physio- und sporttherapeutische Maßnahmen in Form von Mobilisation, Neurodynamik und Kinesiotaping spielen bei mildem CTS ebenso eine große Rolle.

Anhaltende Gefühls- oder Bewegungsstörungen oder das Nachlassen der Haltekraft des Daumens erfordern eine rasche operative Versorgung. Operationen des CTS, sogenannte Karpaltunnelspaltungen, werden von unterschiedlichen Fachrichtungen wie Orthopädie, plastische Chirurgie oder Allgemeinchirurgie angeboten.

 

Schematische Darstellung der Nerv- und Gefäßstrukturen des Hohlhandkanals. Die Schnittführung für die Spaltung des queren Hohlhandbandes ist gestrichelt
Schematische Darstellung der Nerv- und Gefäßstrukturen des Hohlhandkanals. Die Schnittführung für die Spaltung des queren Hohlhandbandes ist gestrichelt

 

Schematischer Querschnitt durch die Hohlhand: grau die knöchernen Strukturen, gelb der Hohlhandnerv, grüne Punkte zeigen die Sehnen, grüne Linie das quere Hohlhandband
Schematischer Querschnitt durch die Hohlhand: grau die knöchernen Strukturen, gelb der Hohlhandnerv, grüne Punkte zeigen die Sehnen, grüne Linie das quere Hohlhandband

 

Wie wird eine solche durchgeführt?

Die Eingriffe erfolgen meistens in örtlicher Betäubung (sog. Plexus- Anästhesie) und werden ambulant oder tagesklinisch durchgeführt. Dabei wird das quere Hohlhandband durchtrennt, um dem Mittelhandnerv wieder Platz zu geben.

Je nach Zugangsart unterscheidet man eine offene, eine minimalinvasive (halboffene) und eine endoskopische Spaltung. In den meisten Fällen wird die offene Spaltung des Bandes durchgeführt, da sie in Bezug auf die Komplikationen am sichersten einzustufen ist. Der etwas längere Hautschnitt (2-3 cm) wird entlang der Handlinien geführt und heilt in der Regel narbenlos und später unsichtbar aus.

Wie lange ist meine Ausfallszeit nach einer Operation?

Nach der Operation wird ein sogenannter Kompressionsverband angelegt, um Nachblutungen zu vermeiden. Am nächsten Tag wird dieser durch den Arzt gegen einen Pflasterverband getauscht. Danach sollte die Wunde bis zur Nahtentfernung in einer Woche trocken und sauber gehalten werden. In dieser Zeit muss die Hand maximal geschont werden. Nach der Nahtentfernung sind einfache Tätigkeiten, wie Büroarbeit und leichte häusliche Tätigkeiten möglich, schwere körperliche Arbeit ist für weitere zwei Wochen nicht erlaubt. Manche Operateure stellen die Hand bei ausgeprägten Befunden mit einer Schiene oder selten mit einem Gipsverband ruhig.

Wie ist die Erfolgschance nach einer OP?

Bei langanhaltender Symptomatik kann es zu irreversiblen Schäden am Nerv kommen, in diesen Fällen werden die Beschwerden sich nur mehr teilweise zurückbilden. Vor allem muskuläre Schwächen erholen sich nur selten. Bei rechtzeitiger Operation ist eine vollständige Rückbildung aller Symptome zu erwarten.