Schulterschluss
Reha nach Schulterverletzungen
Text: Stefanie Riedler
Ironman!“, „Maschine!“, rufen sie ihm zu, als er sich am Start für das Rennen bereit macht. Nacheinander schlüpft er in die für ihn angepassten Schulterorthesen aus Carbon und zieht den Gurt straff. „Go! Go! Go!“, feuere ich ihn an. Dass Hanno wieder bei einem Snowboardweltcup am Start steht verdankt er einer monatelangen Reha und nicht zuletzt seinem ungebrochenen Willen.
Die große Beweglichkeit der Schulter ergibt sich aus ihrer knöchernen Anantomie. Eine flächenmäßig kleine Pfanne hat einen in Relation dazu großen Oberarmkopf als Gelenkspartner. Unser Arm hat dadurch die Möglichkeit sich nach vorne, hinten, seitlich und auch rotatorisch sehr großzügig zu bewegen. Große Bewegungsfreiheit bedeutet aber auch mehr Risiko für Instabilität.
Das Schultergelenk setzt sich aus fünf Gelenken zusammen. Als wäre das nicht kompliziert genug, sind beide Schultern vorne über das Brustbein und hinten durch die Schulterblattmuskulatur miteinander verbunden. Nach einer Verletzung oder Operation können diese Muskeln aus dem Gleichgewicht sein. Das heißt, sie spannen ungleich viel und dezentrieren den Oberarmkopf und das Schulterblatt.
Oberstes Ziel in der Therapie ist das Wiedererreichen des vollen Bewegungsumfangs. Dies ist nur möglich wenn der Rhythmus zwischen Arm und Schulterblatt erhalten, beziehungsweise wiedererlangt wird. Die Muskualtur muss einerseits dynamisch arbeiten und Bewegungen zulassen um etwas Entferntes greifen oder einen Gegenstand werfen zu können, andererseits muss sie auch statische Haltearbeit leisten, um das Schulterblatt während dieser Bewegungen optimal am Thorax zu fixieren. Gelingt dies nicht, bewegt das Schulterblatt zu schnell mit. Um eine Ausweichbewegung auf Grund einer Schonhaltung zu vermeiden, wird vom ersten Tag an Wert auf dieses Zusammenspiel gelegt.
Nach einer Operation wird in Absprache mit dem Arzt ein Behandlungskonzept erstellt und ständig an die aktuelle Situation des Patienten angepasst. Dieses Konzept beinhaltet das Mobilisieren der Schulter im erlaubten Bewegungsausmaß und das Stabilisieren durch den Aufbau der Muskulatur. Da es sich bei der Schulter um ein „muskelgesichertes“ Gelenk (z.B. Knie = bandgesichert) handelt, ist die intakte Muskulatur der kritische Erfolgsfaktor in der Rehab.
Die ersten Wochen nach der Operation verlangen dem Patienten am meisten Geduld ab. Das Tragen einer Armschlinge für 4 bis 6 Wochen ist meist Voraussetzung, um eine ungestörte Heilung zu gewährleisten. Diese darf nur in der Therapie zur passiven Mobilisation und Lymphdrainage durch den Therapeuten abgenommen werden. Elektro- und Lasertherapie verbessern die Wundheilung. Weichteiltechniken und leichte Mobilisationen des Schulterblattes und der Brustwirbelsäule wirken durchblutungsfördernd und tragen zur Lockerung und Schmerzminderung bei. Weichteiltechniken werden auch auf der nichtbetroffenen Schulter angewendet, da diese durch die Ruhigstellung meist unter der Mehrbeanspruchung leidet.
Sobald aktiv bewegt werden darf, kann mit dem Muskelaufbau begonnen werden. Sogenannte Schulterdepressoren zentrieren den Oberarmkopf in der Pfanne. Es werden vor allem die zu schwachen Anteile trainiert, welche das Schulterblatt nach unten und zur Wirbelsäule ziehen sollen. Im weiteren Rehaverlauf kommen Übungen, wie Front- und Seitheben, dazu. Dem Schwierigkeitsgrad sind nach oben hin keine Grenzen gesetzt und so können bei Sportlern beispielweise Liegestütze mit Klatschen das Training abrunden.
In Kombination mit der Physiotherapie kann so ein erfolgversprechendes Ziel erreicht werden und unser Snowboarder überquert die Ziellinie mit Bestzeit.