Da hofa war’s …
Eben nicht! Weder der Hofer, noch die „Glock‘n“ markierten die Geburtsstunde des Austropop. Aber keine Details, hier das ganze Stück.
Text: Manfred Madlberger
Austropop also. Von manchen seiner wichtigsten Vertreter als Begriff abgelehnt (z.B. W. Ambros oder Ludwig Hirsch, der gemeint hatte, es klänge wie eine Automarke). Austropop – Marke oder Klischee? Qualitässiegel oder Schublade für Dialekt-Schlager-Pop mit immer denselben Bildern („Adler“, „Freiheit“ oder „die Sunn“)? Jedenfalls können sich die meisten unter Austropop etwas vorstellen.
Ein „Ursprung“ des Genres lässt sich schwer festmachen. Erste „Orientierungs-Pflöcke“, die eingeschlagen wurden, gibt es indes mehrere. Protagonisten des Genres wie Georg Danzer nennen Nestroy oder Leopoldi als Vorbilder, Ex-EAV-Schlagzeuger Anders Stenmo meinte gar, Franz Schubert sei der erste Austropopper gewesen. Dicker wurden die „Wurzeln des Austropop“ in den 1950ern in Form des kabarettistischen Schlagers. Gerhard Bronner beobachtete um 1952, wie die „Perfektion“ im Rahmen eines Tanzkurses beim Thumser in Wien-Neulerchenfeld (Bronner probte dort mit einem Ensemble in der tanzfreien Zeit und hatte seine Noten dort vergessen) zu eskalieren begann und vernahm die Zeilen „Pass auf, der G’schupfte hat a Messer!“ Am Nachhauseweg entstand ein Text, der Legende wurde.
Der versierte Komponist Bronner verpasste dem „G‘schupften Ferdl“ ein swingendes, leichtfüßiges, aber doch harmonisch komplexes Gewand. Zunächst nahm er das Lied selbst auf. Doch erst die später von Helmut Qualtinger gesungene Version hatte jene Räudigkeit, die den „G’schupften Ferdl“ zum Klassiker machte. Mit dem „Bundesbahn-Blues“ oder dem „Halbwilden“ schrieb Bronner dem „Quasi“ noch eine Reihe weiterer genialer Stücke auf den üppigen Leib.
Etwa zur gleichen Zeit populär waren Pirron und Knapp mit Stücken wie „Im Tröpferlbad“ oder „Camping“ – witzige Couplets im Wiener Dialekt, zweistimmig und in einem Tempo gesungen, das sogar Falco als lahme Ente dastehen lässt. Im Grunde waren Pirron & Knapp die ersten Rapper Österreichs.
In den 1960ern drangen Rock’n’Roll und Beat langsam auch in die österreichischen Probenkeller ein. Ein Gitarren-Wunderkind, das sich Charles Ryder nannte, versuchte sich in seinen ersten Bands. Zu Beginn der Siebziger sollte der 1950 als Karl Ratzer Geborene mit der Band „Gypsy Love“ in der Szene Furore machen.
Glaubst, i bin bleed
Ein entscheidendes Jahr war 1970: Viele behaupten nicht zu Unrecht, Marianne Mendt sei die „Mutter des Austropop“, allen voran Gerhard Bronner. Der hatte 1970 zur Titelmusik seiner Fernsehsendung „Die große Glocke“ einen wienerischen Text geschrieben und Mendt (geborene Krupicka) gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, dies zu singen. „A Glock’n die 24 Stunden läut’…“ stieg im Oktober 1970 in die österreichische Hitparade ein. Ein Klassiker. Aber letztlich keine Pioniertat, denn Mendt/Bronner waren nicht die ersten. Der „Vater des Austropop“ – oder zumindest dessen Hebamme hieß Andre Heller.
1967 startete Ö3 und trug somit seinen Teil zur Revolutionierung der Kulturlandschaft bei. Eines der Aushängeschilder war der 20jährige goscherte DJ „Andreas“ Heller. Dieser wusste von der 1960 gegründeten „Worried Men Skiffle Group“. Wie deren Gründungsmitglied Gerhard „Doc“ Richter 2010 erzählte, habe Heller der damals englisch singenden Band vorgeschlagen, es auf wienerisch zu versuchen und ihnen einen Stapel von Texten zeitgenössischer Literaten in die Hand gedrückt. Einer hieß „Glaubst i bin bleed“ und stammte von Konrad Bayer. Herbert Janata von den „Worried Men“ vertonte den Text, Heller und Alfred Treiber (später Chef von Ö1) sorgten für eine Studioaufnahme. Gesendet wurde „Glaubst i bin bleed“ erstmals am 29. Mai 1968. Das Feedback führte schließlich zur Veröffentlichung als Single. Im Juni 1970 kam das Lied als erster Popsong in heimischer Sprache in die Hitparade – vier Monate vor der „Glock’n“.
Im selben Jahr hatten die „Madcaps“ mit „I man i dram“ einen Hit, Wolfgang besang den „Trödler Abraham“ und schaffte es Ende 1970 sogar auf Platz 1. Wolfgang, geboren 1950 in Linz, heißt übrigens mit Nachnamen ausgerechnet Hofer – doch es war ein anderer Wolfgang und ein anderer „Hofa“, der im Folgejahr die Dialektwelle endgültig ins Rollen brachte. Der Text vom „Hofa“ – so die Legende – fiel dem 19-jährigen Wiener Josef Prokopetz beim Wände-Spachteln ein. Sein Kumpel, ein gleichaltriger Niederösterreicher namens Wolfgang Ambros, vertonte das Gedicht, eine „Gönnerin“ – sie soll (vergebens) ein Auge auf Ambros geworfen haben – sorgte für die Finanzierung einer Aufnahme, mit einiger Mühe konnte eine Plattenfirma gefunden werden – die Legende von der Leiche im Rinnsal war geboren.
Eine Szenementorin war zu jener Zeit die 1993 verstorbene Evamaria Kaiser. Sie ermöglichte mit der TV „Show Chance“ jungen Musikern, sich einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren – unter ihnen der Goiserer Wilfried, der mit „Ziwui, ziwui“ – 20 Jahre vor Landsmann Hubert – Volks- & Rockmusik kombinierte, Heinrich Walcher („Gummizwerg), die „Milestones“, die beim Song Contest 1971 Platz 5 für Österreich holten („Falter im Wind“) und viele mehr. Es ist nicht belegt, aber wahrscheinlich, dass Kaiser auch den Begriff „Austro-Pop“ etablierte.
Sie ham a Haus baut
Erfolge feierten auch der Maler Arik Brauer, Schauspieler Kurt Sowinetz (mit „Alle Menschen san ma zwider“, einer bissigen Variation von Beethovens „Ode an die Freude“), Peter Cornelius und Georg Danzer. Letzterer veröffentlichte 1968 seine erste Chanson-esque Single „Vera“. Im Laufe der Jahre schrieb er für Marianne Mendt, die „Madcaps“ oder Andre Heller. Nach seinem ersten, wenig beachteten (Hochsprache-) Album „Honigmond“ (1972) kreierte er die Figur des Sandlers „Tschick“, dem er auf dem gleichnamigen Album auch seine verstellte Stimme lieh. 1975 gelang Danzer mit „Jö schau “ der endgültige Durchbruch.
Ende der 1970er versuchten sich zwei weitere Schauspieler als Liedermacher. Für die Musiker-Karriere des einen ist Kurt Sowinetz mitverantwortlich: Ein junger Kollege wollte diesem ein Lied für seine nächste Platte schreiben. Als er dieses vorgespielt bekam, riet Sowinetz ihm jedoch, das Lied selbst aufzunehmen, da es ihm zu persönlich erschien: Es war „Die Omama“ von Ludwig Hirsch. Die dazugehörige LP „Dunkelgraue Lieder“ stieg im März 1979 in die Hitparade ein und hielt sich unterm Strich über ein Jahr dort.
Leidlich erfolgreich lief die Karriere eines anderen Wiener Mimen und Hobbymusikers, der gleichsam motiviert wurde, seine Lieder zu veröffentlichen. Das 1980 aufgenommene Debütalbum „Ich wollte nie einer von denen sein“ schaffte es bis auf Platz 16. 1981 wurde eine „Zwischendurch-Single“ als Überbrückung bis zum zweiten Album aufgenommen – produziert (aber nicht verfasst) von Joesi Prokopetz. Der Text spielte in Italien, geschrieben wurde es jedoch am Wolfgangsee, wo der junge Künstler zeitweilig als Parfum-Verkäufer gejobbt hatte. Nachdem das Lied aufgenommen war, ging dessen Autor auf Urlaub. Als Rainhard Fendrich wieder zuhause ankam, war „Strada del Sole“ Nummer 1.
Im Lauf der Jahrzehnte bereicherten Acts aus allen Bundesländern die Szene, von Vorarlberg (Ray & Mick alias Bilgeri & Michael Köhlmeier), über Tirol („Bluatschink“), Salzburg („Querschläger“), Oberösterreich („Attwenger“, Hubert von Goisern, „Willi Warma“) und Niederösterreich (Sigi Maron) bis Kärnten („Naked Lunch“); doch die stärkste Szene gab es – zumindest in den 1980ern – neben Wien in der Steiermark. Schon in den 70ern feierten Bands wie „Turning Point“ oder „Magic“ (mit Boris Bukowski) überregionale Erfolge; in den 80ern führte an der grünen Mark kein Weg vorbei. „Steirerbluat is ka Nudelsupp‘n“, verkündeten STS 1984 selbstbewusst in ihrem ersten großen Hit „Fürstenfeld“. Acts wie die Kurt Gober Band („Motorboot“) oder Carl Peyer („Romeo und Julia“) landeten Hits, die EAV erreichte mit ihrem Rockkabarett kommerzielle Höhenflüge, und die steirisch-burgenländische Band „Opus“ landete (mit dem Kärntner Sänger Herwig Rüdisser) mit „Live is Life“ einen Welthit.
Ham kummst
Die 1980er waren die kommerziell erfolgreichste Zeit des Austropop. Der Wiener Falco reüssierte gar global – mit „Der Kommissar“ und „Rock me Amadeus“. Und: Die damals noch rein öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Medien ließen der Austro-Szene viel Platz.
Hinzu kam Mitte der 1980er noch der Ostbahn Kurti mit seinen von Günter Brödl eingewienerten Rock- & Blues Hadern, am Beginn der 90er trat Hubert von Goisern die „Alpine Lawine“ los. Doch die „große Zeit“ des Austropop schien zu Ende zu gehen. Die etablierten Acts feierten weiterhin Erfolge, auch wenn die Plattenverkäufe nachließen. Doch die bunten Farbtupfer dazwischen, wie die New Wave-Szene mit Hansi Lang, Chuzpe & Co. oder die singenden Sportler wie Krankl oder Orsolics, blieben aus. Mitte der 1990er ließ der öffentlich-rechtliche Rundfunk zwecks der totalen Formatierung die Österreicher mehr oder weniger fallen. Dies gab der Ermöglichung einer lebendigen, frischen Szene den Rest.
Doch ein paar gibt es noch. Oder wieder. Ernst Molden. Seiler und Speer. Wanda. Bilderbuch. So verschieden und so eigen, dass es Freude macht. Aber ist das noch Austropop? Auf gut österreichisch geantwortet: wurscht.
Der Austronom (alias Manfred Madlberger) aus Bad Ischl/OÖ. ist Redakteur, Musiker und Radiomacher. Im Freien Radio Salzkammergut gestaltet er seit dem Jahr 2000 die Sendung „Der Austronom“, die sich ausschließlich mit österreichischer Musik beschäftigt und für die er schon so gut wie alle Größen der heimischen Musikszene vor dem Mikrofon hatte. 2015 erschien sein Debütalbum als Musiker mit eigenen Songs: madLberger vulgo Austronom – „Nächtebuch“ ist bei Eiffelbaum Records erschienen.
I am from Austria
Die Lebendigkeit der heimischen Pop- Musikszene ist ein Hinweis darauf, dass wir keine Angst ums Abendland haben müssen. Vor 20 Jahren hatten wir Angst vom Angloamerikanischen überrollt zu werden. Wie gut, dass es Falco, meinen absoluten Favorit unter den Austopoppern, gab. Wie gut, dass es Wanda jetzt gibt, und Hubert von Goisern immer gegeben hat. Schön, dass in „I am from Austria“ nur der Titel englisch ist, und alles andere sowas ähnliches wie Mundart, aber so, dass man es nördlich von Bayern auch noch versteht. Heimat großer (Austropop)-Töchter und Söhne! Christian Hoser
Schifoan
Meiner Leidenschaft entsprechend war „Schifoan“ von Wolfgang Ambros in meiner Jugend am präsentesten. Bei der Anfahrt zum Schigebiet wurde das Lied lautstark auf Kassette abgespielt. Bei einem gemeinsamen Projekt des Instituts für Sporttherapie und Intersport arbeitete ich mit Reinhard Fendrich zusammen. Bei der Generalprobe zur Österreichtournee saß ich als special guest in der 1. Reihe – ein unvergessliches Erlebnis. Doris Auer
Es lebe der Sport
Ich habe die Hochblüte des Austropop als musikbegeisterter Jugendlicher erlebt. Rainhard Fendrich in der ausverkauften Linzer Sporthalle war einfach grandios – 10.000 textsichere Sänger im Publikum und ich als 15-jähriger mitten drunter – unübertroffen. Die Lieder dann selbst auf der Gitarre zu lernen war Pflicht und ich spiele sie heute immer noch … Florian Dirisamer
Für immer jung
Der Austropop war mir zu wenig echt. Rock auf Deutsch gesungen war viel zu wenig cool. Erst retrospektiv habe ich den hohen künstlerischen Level von Text und Musik entdeckt. „Der Rattenfänger“ von den Milestones“ (großartige Stimmen, wunderbare Lyrics), sowie berufsbedingt „Für immer jung“ von Ambros und Heller sind meine persönlichen Perlen. Sepp Wiesauer
Mulatschag
Mein erster Kontakt mit dem Austropop war damals in jungen Jahren ein Drahdiwaberl Konzert in Linz, welches nicht nur bleibenden Eindruck, sondern auch tagelangen Tinnitus bei mir hinterlassen hat. Eigentlich aus heutiger Sicht unglaublich, dass sich aus dieser Chaotentruppe eine musikalische Größe wie Falco hat entwickeln können. Christian Patsch
Irgendwann bleib i dann dort
Bei keinem geselligen Treffen, ob Lagerfeuer oder Geburtstag durften sie fehlen: Eine Gitarre und die Lieder von Ambros, Danzer, Peter Cornelius und natürlich vom Steirer Lager STS (obwohl die ja etwas später losgezogen sind). Nicht zu vergessen die heißen Sommer mit Strada del Sole und Oben ohne von Fendrich. Die Texte der Lieder, oft oberflächlich, manchmal pathetisch und schmalzig, aber immer Ausdruck von Stimmung. Unvergessen für mich der Griechenlandaufenthalt wo ich mit der Gitarre und „Irgendwann bleib i dann dort“ die aufgehende Sonne am Strand begrüßt hab. Schön und irgendwie das Gefühl einer vollkommenen Freiheit. Wolfgang Stelzer
Lauf, Hase lauf
Als ersten Austropopper wahrgenommen habe ich Wilfried, wahrscheinlich ganz einfach, weil er, wie ich, aus dem Salzkammergut stammt. Die meisten seiner Songs waren mir zwar zu grobschlächtig. Bis heute gefallen mir allerdings seine „leisen“ Lieder, wie „Du hast mir mein Orange verpatzt“ oder „Lauf, Hase lauf“ Ellinor Wiesauer
Hoffnungslos
Wenn von Austropop die Rede ist, fällt mir immer als erster Wolfgang Ambros ein. Nicht nur, weil er als einer der Erfinder dieser Musikrichtung gilt, seine Musik hat mich auch in meiner Jugend lange begleitet und gefällt mir bis heute. Dabei sind es eher nicht die Hits, sondern die langsamen, melancholischen Nummern, die mich am meisten berührt haben. Albumtipp: „Hoffnungslos“ Peter Gföller
Du entschuldige, i kenn Di
Der Austropop hat mich das erste Mal so zwischen 1983 und 1985 gestreift. Damals war ich Bassist in einer Tanzmusik und wir haben Minisex bis Cornelius („Du entschuldige i kenn di“) alles rauf und runter, mehr oder weniger originalgetreu nachgespielt. Insgesamt hat der Austropop eine positive Entwicklung durchgemacht, finde ich und es tauchen immer wieder coole Gruppen von STS bis Wanda auf. Christian Fink