Leben ala Carte – 1604

Das Leben ist ein Klimmzug

Die menschliche Kultur ist ein anstrengendes Geschäft

Wånn man nix denkt, kann man net unglücklich sein, wie soll denn das gehen. Das Denken wird in unserer Gesellschaft so auffighoben!!. So viel Millionen von Jahren hat die Entwicklung stattgefunden, die Schachtelhalme san gwåchsen, die Bam san gwåchsen, die Tiger san wordn, die Haifisch san gwåchsen – ohne dass irgendjemand nachgedacht hätte. Jetzt geht’s nur ums Denken. Dabei is es immer ohne Denken gangen“.

Alf Poier, der selbsternannte Meister des europäischen Stumpfsinns, sehnt, wie Nietzsches Mensch, das Glück der im Gras lagernden Tiere herbei.

 

Illustration: Peng
Illustration: Peng

 

Doch: Denken hilft! Um Christi Geburt lag die Lebenserwartung des Homo sapiens bei durchschnittlich 30 Jahren, jene von Hunden bei 14 Jahren, die Eintagsfliege lebte zwei Tage. 2.000 Jahre später wird die Eintagsfliege unverändert zwei Tage alt, Hunde stehen bei 17 Jahren, für den Menschen stehen unsagbare 80 Jahre zu Buche. Die Spezies Mensch hat nicht zuletzt dank ihres Intellekts eine unvergleichliche Karriere hingelegt. Wir sind ein Erfolgsmodell!

Aber: Die menschliche Kultur ist ein anstrengendes Geschäft. Vieles gehört bedacht und gemacht. Die Aufrechterhaltung der Hygiene, bis hin zum Zähneputzen bedeutet täglichen Aufwand. Maßhalten bei Ernährung, Drogen, Sex, Stress verlangt uns permanent Disziplin ab. Impfen, Vorsorgeuntersuchungen und last, but not least, Sport gegen den Bewegungsmangel fordern unablässig ihren Tribut. Bewusst leben heißt, dem Verfall um den Preis der eigenen Anstrengung entgegenzuwirken. Dem steht unsere unstillbare Sehnsucht nach Aufhebung der inneren Reizspannung (Freud) entgegen. Wir streben das Nirwanaprinzip, den Zustand vollkommener Ruhe an.

Allerdings: Wenn wir uns, dank unserer zivilisatorischen Errungenschaften, aller Alltagsstrapazen entledigt haben werden, die das (gute/lange) Leben von uns fordert, werden wir merken, dass das Atmen zum Klimmzug wird

Veröffentlicht in Essay