Leben ala Carte – 1803

Seid faul!

Illustration: Peng
Illustration: Peng

 

„Ich bin ein fleißiger Taugenichts!“ ­André Heller

Wer zu faul ist, zu Fuß zu gehen, erfindet das Rad. Wer sich beim Radfahren nicht abstrampeln will, erfindet das ­E-Bike. Bequemlichkeit schafft Bedürfnisse. Wir wollen die Füße hoc­­h­lagern und den Herrgott einen guten Mann sein lassen. Das Auto, der Computer, der Automower, der automatische Staubsauger – ein Großteil der Problemlösungen der Menschen hat das Ziel, uns der Arbeit zu entledigen, um unser Leben bequemer zu machen. So schlecht ihr Leumund, so wichtig ist sie als Motiv. „Faulheit ist die Mutter des Fortschritts“, konstatiert Konrad Paul Liessmann.

Faulheit ist der mangelnde Wille eines Menschen zu arbeiten, oder sich anzustrengen. Tatsächlich hat Faulheit keinen Eigenwert und wird in der Regel, wie Gesundheit (= Abwesenheit von Krankheit), als Negation von Tätigkeit beschrieben. Die meisten Synonyme sind moralisch negativ besetzt: Arbeitsscheu, Trägheit, Drückebergerei, Prokrastination, Untätigkeit.

Kant meinte, Faulheit sei der Hang zur Ruhe, ohne vorhergehende Arbeit. Ihr Standing war nicht immer schlecht. Für Sokrates war sie die Schwester der Freiheit. Lange war Nichtarbeit kulturell höher angesehen als Arbeit. Erst die Neuzeit beendete eine jahrtausendlange Mußepräferenz.

Die Cura sui, die Sorge um sich selbst, und der Versuch, seinem Leben eine sinnvolle Form zu geben, ist die Pflicht des Einzelnen und verlangt Disziplin. Aber auch Müßiggang ist eine Fähigkeit, derer wir uns dringend ermächtigen müssen. Er ist eine Art verkappter Fleiß, der uns zuweilen ebenfalls ziemlich viel Disziplin abverlangt.

Veröffentlicht in Essay