Leben ala Carte 2403 – Leben

Innsbruck, du gibst mir Berge!

Was für Wien das Riesenrad und für Paris der Eiffelturm, sind die Berge für Innsbruck. Die Wahrzeichen der Landeshauptstadt sind geschichtsträchtig und bilden nebenbei das größte Outdoor-Fitnesscenter der Welt.


Text: Martin Duschek

Majestätisch umrahmen sie die Tiroler Landeshauptstadt. Leben à la carte erzählt bekannte und weniger bekannte Geschichten über die Berge Innsbrucks.

Goldenes Dachl, Annasäule oder Triumphbogen – was sind doch die Gebilde von Menschenhand gegen die steilen Hänge der Nordkette? Wie klein wirkt der Innsbrucker Dom gegen den „Altar Tirols“, wie die Einheimischen die mächtige Serles im Süden nennen? Wie hoch ragen die steilen Felsen der Nockspitz’ bzw. Saile empor im Vergleich zur Sprungschanze am Bergisel? Oder wie klein machen sich die Mauern von Schloss Ambras gegen den sanften runden Patscherkofel? Kein Zweifel, die Attraktivität Innsbrucks begründet sich in seinen Bergen, den echten Wahrzeichen der Landeshauptstadt.

 

© Innsbruck Tourismus / Tom Bause
© Innsbruck Tourismus / Tom Bause

Sagenhafte Bergwelt

Kein Wunder, dass sich die Innsbrucker über „ihre“ Berge allerlei Geschichten erzählen, manches aus der Sagenwelt, manches historisch begründet. Die Ost-West-Achse mit dem Inntal und der verhältnismäßig einfach zu überschreitende Brennerpass durch das Wipptal nach Süden ließen hier schon in der Jungsteinzeit feste Siedlungen entstehen. Am Beginn des Wipptals, am Goldbichl, einer rund 1000 Meter hohen Hügelkuppe im dörflichen Innsbrucker Stadtteil Igls entdeckten Archäologen einen mächtigen Brandopferplatz. Schon vor 4000 Jahren loderten hier riesige Feuer, wie Schlacken- und verglaste Steinfunde beweisen. Ein bebilderter Lehrpfad aus dem Jahr 2006 erklärt dem interessierten Wanderer die archäologischen Erkenntnisse.

 

Umkämpfte Gipfel

Dahinter erhebt sich auf 2246 Metern der südliche Hausberg der Innsbrucker, der Patscherkofel. Sein runder, kahler Gipfel erinnert an einen Vulkan. Tatsächlich war es aber der Föhn, der mit Spitzen nahe an 200 km/h den Kofel in tausenden Jahren in seine markante Form schliff. Weltbekannt wurde er durch den Herrenabfahrtslauf der Olympischen Winterspiele 1976, als Franz Klammer in einem wahren Husarenritt alle zwischenzeitlichen Rückstände aufholte und Gold für Österreich eroberte. Die Innsbrucker wandern gerne am Zirbenweg vom Patscherkofel Richtung Osten zum Glungezer oberhalb der Nachbargemeinde Hall. Der Weg führt auf rund 2000 Meter Seehöhe durch einen der größten und ältesten Zirbenbestände Europas, seit 1942 ein ausgewiesenes Naturschutzgebiet.

Kein echter Berg, dafür ein besonders geschichtsträchtiger Hügel, der Berg Isel, formt den Eingang des Wipptals zur wildromantischen Sillschlucht. Hier fanden die vier bekannten Schlachten der Tiroler rund um Andreas Hofer gegen das napoleonische Heer im Jahr 1809 statt. Für weit friedlichere Kämpfe dient die architektonisch reizvolle Sprungschanze am 746 Meter über dem Meer hohen Gipfel des Berg Igels. Mit ihrer nächtlichen Beleuchtung glotzt sie wie ein friedlicher Drache auf die Landeshauptstadt herunter.

 

© Innsbruck Tourismus / Frank Heuer
© Innsbruck Tourismus / Frank Heuer

Versteinerte Könige

Hinter der Sprungschanze erhebt sich die Serles, der „Altar Tirols“. Der dreiteilige, pyramidenförmige, 2717 Meter hohe Kalkberg zählt schon zu den Stubaier Alpen, prägt aber ganz besonders das südliche Panorama Innsbrucks. Ihren Namen verdankt die Serles wahrscheinlich dem ladinischen Wort „Suredl“, übersetzt Sonne. Spätmittelalterliche Bücher nennen das Gebirgsmassiv auch „Sonnenstein“, vermutlich weil für das westlich gelegene Wipptal die Sonne über dem Kamm der Serles aufgeht. Der Sage nach sind die Serles und ihre Nebengipfel ein böser König samt Familie und Hofstaat. Er hatte einst seine Jäger und Hunde gegen Hirten gehetzt als diese ihre Schafherde vor der „wilden Jagd“ schützen wollten. Für den Frevel wurde er samt seinem Königreich versteinert.

Näher an Innsbruck und ähnlich spektakulär erhebt sich im Südwesten die Nockspitz’ oder Saile mit ihren Nebengipfeln Spitzmandl und Pfriemeswand. Sie schaut bedrohlich aus, kann aber tatsächlich über ihre Rückseite auf einem bequemen Wanderweg erstiegen werden. Nicht selten finden sich deshalb auf ihrem 2404 Meter hohen Gipfel auch Mountainbiker und Familien mit kleinen Kindern ein und genießen den fantastischen Blick ins Inntal. Wer die Stellen kennt, findet hier auch die seltenen Edelweiß.

 

In 20 Minuten auf die Spitze

Schroffer, steiler und kahler erheben sich die Berge nördlich der Landeshauptstadt: Wie eine geschlossene, unüberwindbare Mauer bildet die Inntalkette, im allgemeinen als „Nordkette“ bezeichnet, die Südgrenze des Karwendels, des größten Naturparks und Natura-2000-Schutzgebietes Europas. An ihren Hängen liegen die bekannten Innsbrucker Stadtalmen: Die Arzler Alm, die Bodensteinalm, die Höttinger Alm und die Unbrüggler Alm. Weniger bekannt ist, dass die Gemeindegrenze der Landeshauptstadt auf der Rückseite der Gebirgskette verläuft und auch die Möselalm im Gleirschtal zu Innsbrucks Stadtalmen zählt.

Die Nordkette dient den Innsbruckern als Naherholungsgebiet oder auch als Outdoor-Fitnesscenter. Hunderte Mountainbiker, Downhiller, Bergläufer und Kletterfexen jagen hier tagaus tagein Höhenmeter in ihre GPS-Sportuhren. Wer es gemütlicher angehen möchte erreicht in gerade 20 Minuten mit Hilfe der Standseilbahn die Hungerburg oder Hochinnsbruck, mit der ersten Seilbahn die Seegrube und mit einer zweiten das Hafelekar. Auf die Hafelekarspitze auf 2334 Meter Seehöhe sind es dann nur mehr wenige Schritte, die auch Touristen mit Flip-Flops leicht bewältigen. Es heißt, man könne an absolut klaren Tagen von hier sowohl die Frauenkirche in München als auch den Campanile am Markusplatz sehen. Geometrisch geht sich dieser Fernblick aus, tatsächlich hatte der Autor in fast 60 Jahren nie das entsprechende Wetterglück.

 

© Innsbruck Tourismus / Helga Andreatta
© Innsbruck Tourismus / Helga Andreatta

Nobelpreisträger und Kasermandl

Ein paar Schritte von der Bergstation der Hafelekarseilbahn entfernt steht ein recht unscheinbares, ebenerdiges Haus mit einem Holzanbau, das Victor-Franz-Hess-Laboratorium. Der steirische Physiker erforschte hier die Kosmische Strahlung für deren Entdeckung er 1936 mit dem Nobel-Preis ausgezeichnet wurde. Das Labor liefert heute noch über eine Funkstrecke kontinuierlich Daten an die Universität Innsbruck.

Das Hafelekar dient auch als Ausgangspunkt: In Richtung Westen beginnt der Innsbrucker Klettersteig, der über den Langen Sattel zur „Frau Hitt“ führt. Klettertechnisch wartet er mit anspruchsvollen und originellen Passagen auf. Der erste Teil verläuft hauptsächlich auf einem Grat, der zweite durch ein Labyrinth von Felstürmen, Scharten und nahezu senkrechten Wandpassagen. In Richtung Osten geht es zwar gemütlicher über den Goethe-Weg, aber auch hier ist Schwindelfreiheit gefragt, vor allem für jene, die mit der Gleirsch-, Mandl-, Rumer oder der Stempeljoch Spitze noch ein paar Gipfelsiege mitnehmen wollen.

Auch um die Nordkette ranken sich zahlreiche Sagen aus alter Zeit. Am bekanntesten dürfte wohl jene über die Frau Hitt sein: Die unbarmherzige Königin reichte einer Bettlerin einen Stein als Brot. Zur Strafe erstarrte sie samt ihrem Pferd zu jener markanten Bergspitze, die westlich vom Hafelekar leicht auszumachen ist. Nicht reizen sollte man das Kasermandl: Der Senner der Umbrüggler Alm versündigte sich einst und spukt nun als Geist rund um die Innsbrucker Almen und Berghütten. Einem jungen Jäger, der ihn verspottet hatte, soll er sogar den Kopf ausgerissen und aufs Hüttendach gesteckt haben.

Innsbrucks Bergwelt ist schön wie schaurig, beeindruckend wie bezaubernd und herausfordernd wie unproblematisch zu erleben. Kaum eine andere Großstadt inklusive ihrer Bewohner wird so von der Bergwelt geprägt, wie die Tiroler Landeshauptstadt.