Rückenwind
Training für die Wirbelsäule
Text: Andreas Zauner
Die Wirbelsäule lässt sich wunderbar mit dem Mast eines Segelbootes vergleichen. Nur wenn dieser stark, stabil und flexibel ist kann das Boot den Rückenwind optimal nutzen und sicher den Kurs halten. Ebenso brauchen wir eine kräftige, flexible Wirbelsäule, um im Alltag standhaft und beweglich zu bleiben und das selbst bei starkem „Seegang“ oder bei Stress und Belastung.
Die Wirbelsäule ermöglicht uns, aufrecht zu stehen, uns flexibel zu bewegen und schützt gleichzeitig das Rückenmark, eines der wichtigsten Nervenzentren im Körper. Angesichts dieser entscheidenden Funktionen ist es notwendig, die Wirbelsäule durch Training gesund und leistungsfähig zu halten. Ein gezieltes Wirbelsäulentraining hilft, die Muskulatur zu stärken, die die Wirbelsäule stabilisiert und stützt. Gleichzeitig fördert es die Beweglichkeit der Wirbelsäule, verbessert die Körperhaltung und reduziert das Risiko von Verletzungen und degenerativen Erkrankungen wie Bandscheibenvorfällen oder Osteoporose. Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerden in der modernen Gesellschaft. Laut Studien leidet ein Großteil der Bevölkerung mindestens einmal im Leben an Rückenschmerzen. Die Ursachen sind vielfältig, wobei Bewegungsmangel, langes Sitzen, Fehlhaltungen und muskuläre Ungleichgewichte die häufigsten Auslöser sind.
Die Muskulatur des Rumpfes wird in globale und lokale Stabilisatoren eingeteilt, die jeweils eine wichtige Rolle in der Stabilität und Beweglichkeit der Wirbelsäule spielen. Beide Muskelsysteme arbeiten zusammen, um den Rücken zu stützen und vor Überlastungen zu schützen.
Lokale Stabilisatoren
Die lokalen Stabilisatoren bestehen aus kleinen, tief liegenden Muskeln, die direkt an den Wirbelkörpern ansetzen. Zu diesen Muskeln zählen zum Beispiel der Musculus multifidus und der Musculus transversus abdominis. Sie halten die einzelnen Wirbel in einer stabilen Position und sorgen für eine kontrollierte, feine Bewegungsausführung, um auch kleine Haltungsveränderungen ausgleichen zu können. Durch ihre enge Lage an der Wirbelsäule schützen sie die Bandscheiben vor Verschiebungen oder Überbelastungen. Bei vielen Menschen mit Rückenschmerzen sind diese Muskeln geschwächt, was die Stabilität der Wirbelsäule beeinträchtigt.
Globale Stabilisatoren
Die globalen Stabilisatoren sind größere, oberflächliche Muskeln, wie der gerade Bauchmuskel, der äußere schräge Bauchmuskel und Teile des Rückenstreckers. Ihre Aufgaben sind einerseits die Kraftübertragung bei großen, kraftvollen Bewegungen, wie z.B. beim Beugen und Strecken des Rumpfes, andererseits die Haltungskontrolle des gesamten Rumpfes. Sie unterstützen die lokalen Stabilisatoren bei größeren Belastungen wie Heben, Drehen, Bücken oder sportlichen Bewegungen.
Beide Muskelsysteme müssen in einem gesunden Gleichgewicht stehen: Die lokalen Stabilisatoren bieten Stabilität im Kleinen, während die globalen Stabilisatoren größere Bewegungen ausführen und stabilisieren. Sie bestehen aus Bauch- und Rückenmuskeln und bilden gemeinsam ein muskuläres Korsett. Oft gibt es hier Dysbalancen zwischen Vorder- und Rückseite, darum sollte beim Training darauf geachtet werden, sowohl Bauch- als auch Rückenmuskeln zu trainieren.
Trainingsaufbau
Zur Kräftigung der lokalen Stabilisatoren wird die Methode des isometrischen Trainings herangezogen. Isometrisch bedeutet, dass die Muskulatur angespannt wird, ohne dass es zu einer sichtbaren Bewegung der Gelenke kommt (statische Halteübungen). Dies erfordert eine starke Fokussierung auf die Körperwahrnehmung, um die tiefen Muskelgruppen zu erreichen. Unter Anleitung des Physiotherapeuten werden Übungen wie z.B. Transversusaktivierung in Rückenlage oder Multifidusaktivierung im Vierfüßerstand erlernt.
Für eine Kräftigung der globalen Stabilisatoren kommen am Beginn ebenso isometrische Übungen zum Einsatz wie z.B. Unterarmstütz, Seitstütz, Schwebesitz und Schwimmen in Bauchlage. Der Unterschied zu den Übungen der lokalen Stabilisatoren ist, dass die größeren, äußeren Muskeln die Hauptarbeit übernehmen. Werden diese gut beherrscht, können dynamische Variationen der Übungen ins Training eingebaut werden wie z.B. Unterarmstütz Beine heben, Seitstütz Becken heben, Crunches, Schwebesitz mit Rotation und Rückenstrecker dynamisch am Gerät oder Gymnastikball. Die dynamischen Bodenübungen können durch instabile Unterlagen z.B. durch ein Luftkissen zusätzlich erschwert werden. Auch Kniebeugen und Kreuzhebe-Varianten dienen als Übungen, um die globale Rumpfmuskulatur zu kräftigen.
Hierbei ist zu erwähnen, dass die lokalen Stabilisatoren im Normalfall bei diesen Übungen auch mitarbeiten, da ihre Aufgabe darin besteht, reflexartig aktiv zu werden, sobald die Wirbelsäule stabilisiert werden muss. Sie sind darauf spezialisiert, die Wirbelsäule in jeder Position zu sichern. Bei Beschwerden oder nach Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule kann es jedoch Probleme bei diesem Zusammenspiel geben.
Was ist zu beachten?
Trainingsumfang 3-5x pro Woche
Trainingsintensität Individuell – so hoch, dass es zu einer Muskelerschöpfung kommt
Serienanzahl 3-5
Wiederholungen/Dauer 40-60 Sekunden
Pause 20-60 Sekunden
Die Trainingsintensität kann mit der Dauer überprüft werden: Kann man die Übung länger als 60 Sekunden ausführen, sollte diese erschwert werden. Erreicht man die 40 Sekunden nicht, sollte eine leichtere Übungen gewählt werden. Steigerungen/Erleichterungen sind über instabile Unterlagen bzw. andere Ausgangsstellungen möglich. Wichtig bei der Übungsausführung ist, dass es zu keinem Spannungsverlust während der Übung kommt (bei Crunches Oberkörper nicht ablegen).
Kniebeugen und Kreuzhebe-Varianten sollten erst eingebaut werden, nachdem eine stabile Grundlage erarbeitet wurde. Die richtige Ausführung sollte am besten gemeinsam mit dem Experten erlernt und geübt werden.
Viel Spaß beim Trainieren und guten Rückenwind!