Wenn der Vater mit dem Sohne
„Herr Doktor, was würden Sie bei Ihrem Vater tun?“ Diese Frage wurde Realität. Patient Rudolf Fink und sein Operateur, Sohn Christian, erzählen.
Bitte Christian, richt‘ des Krickerl!“ Beim Interview in der Jagdhütte am Langbathsee schlägt der Ordnungssinn des Seniors durch. Dass die Trophäe an der Wand schief hängt macht ihn unruhig. „Wenn der Rasen lang, oder der Zaun zu schneiden ist, kann ich nicht ruhig sitzen. Ich tue das gern, arbeiten hält mich jung und fit“.
Wenn man den 75jährigen Förster im Unruhestand sieht, glaubt man ihm das aufs Wort. Sportlich, jugendlich, dynamisch ist nicht nur sein Erscheinungsbild, sondern auch seine Performance. Mühelos, wie ein Junger, springt er für den Fotografen auf einen Stein, der, einen Meter vor ihm, aus dem Wasser ragt. „Trainiert haben wir nie! Per Gaudi zu laufen hat mir nie etwas gegeben. Skifahren ist schon eine große Leidenschaft und ein bisschen Fußball gespielt haben wir auch. Aber mein Lieblingssport war immer die Arbeit“. Seine Leidenschaft hat nun, spät, aber doch, ihren Tribut verlangt. Schweres Tragen und Heben, die Arbeit im steilen Gelände, in Verbindung mit einer O-Beinstellung ramponierten sein Knie. Seit zehn Jahren waren die Beschwerden so, dass die Überlegung zur Operation im Raum stand. Mit zwei Spritzen im Jahr und Einlagen konnte die Lebensqualität aber ganz gut aufrechterhalten werden. Doch die Abstände der Behandlungen wurden kürzer. Nun hat er eine Knieprothese, sozusagen „hausgemacht“ vom Sohn.
Die größte Schwierigkeit war, wen wundert’s, Zeit für die Operation zu finden. Denn neben der Arbeit gibt es noch ein Hobby, das Waldhornspielen. Das hält jung im Kopf. Er musste nur wenige Konzerte ausfallen lassen. „Jetzt geht es mir super, ich bin mit seiner Arbeit sehr zufrieden“, stößt er mit dem Filius auf das Ergebnis an. Im Knie herrscht Ordnung, der erste Zaun ist geschnitten und zu Hause warten schon die neuen Skier. Und doch, ein bisschen Gelassenheit schleicht sich auch ins Leben des Rudi Fink. Mit der Motorsäge arbeitet er nicht mehr. Dafür geht er manchmal mit seiner Frau um den Offensee und empfindet es nicht als sinnlos. Einfach weil es ihm gut tut.
Herr Professor, den eigenen Vater zu operieren, ist das eine besondere Herausforderung?
Die Kernfrage an den Arzt ist doch bei schwierigen Entscheidungen immer: Was würden Sie bei Ihrem Vater, Mutter oder Kindern tun? Dann muss man in so einer Situation auch Flagge zeigen. Nach 15 Jahren an der Universitätsklinik für Unfallchirurgie in Innsbruck war das auch nicht die schwerste Operation meines Lebens. Trotzdem ist es natürlich speziell. Viele meiner Kollegen würden nie jemand aus der eigenen Familie operieren. Das muss jeder für sich entscheiden. Meine Gedanken sind eher umgekehrt: Wenn ich den Eingriff bei meinem Vater nicht machen würde, dann würde ich mich auch bei einem anderen Patienten damit nicht wohlfühlen. Zudem kennt er viele zufriedene Patienten von mir und hatte daher großes Vertrauen. Trotzdem ist man natürlich sehr, sehr froh wenn das Ergebnis dann auch wirklich gut wird.
War die Entscheidungsfindung anders als sonst?
Nein, das Röntgenbild vor zehn Jahren gleicht dem vor der Operation. Was sich aber dramatisch verändert hatte, war die Beschwerdesituation. Wie bei allen Patienten haben wir über die Jahre alle nicht operativen Möglichkeiten ausgeschöpft. Die Behandlungsabstände mit Cortison –und Hyaluronsäure -Spritzen wurden aber immer kürzer und das Ergebnis immer unbefriedigender. Am Ende war aufgrund seiner massiven O-Beinstellung nur eine Totalendoprothese sinnvoll.
Die Ansprüche von Patienten mit Knieendoprothesen sind heute viel größer als vor 20 Jahren.
Das stimmt, Schmerzfreiheit alleine reicht nicht, die Patienten möchten wieder möglichst uneingeschränkt zu ihren gewohnten Aktivitäten zurückkehren. Unser Level ist oftmals die Sportrückkehr auf hohem und höchstem Niveau. Wir entwickeln Standards, wie den „Back to Sport-Test“, um diesem immensen Anspruch gerecht zu werden. Wir unterschätzen dabei manchmal die Anforderungen körperlicher Arbeit. Wenn mein Vater einen 2,5 Meter hohen, 60 Meter langen Zaun schneidet, heißt das, dass er mindestens 30mal auf die Leiter hinauf und hinunter muss. Auch wenn er als Jäger eine Gams ins Tal trägt, sind die Belastungen auf die Gelenke grösser als bei einem Radrennfahrer. Die Rückkehr zur Arbeit kann die Steigerung von „Back to Sport“ sein. Mein Vater hat sehr konsequent Therapie und Aufbautraining absolviert. Mein persönliches Operationsziel für ihn war aber vor allem, dass er lange für die Enkelkinder fit bleibt und das neue Knie den Belastungen bei der Pflege meines Gartens standhält. Das sieht bis jetzt gut aus.