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Vorteil im goldenen Käfig

Padel-Tennis erobert Österreich

Fritz Hutter
Text: Fritz Hutter

Im spanischsprachigen Teil der Welt ist der Padel-Sport längst zur Massenbewegung gereift. Mittlerweile schießen die In- und Outdoor-Courts fürs so variantenreiche „Miniatur-Tennis“ aber auch aus dem österreichischen Boden wie die Schwammerln, und immer mehr Landsleut’ begeben sich zum Schwitzen hinter Glas. Ein Erklärungsversuch.

 

Padel

 

Dietmar ist 55, wirkt aber jünger. Privat ganz liebevoller Familienvater, respektiert man den Top-Banker beruflich als smart, aber hart. Beim Tennis – lange Zeit Dietmars einziges Hobby – ist er speziell im Wiener Speckgürtel als ehrgeiziger, ja verbissener Sandplatz-Wühler à la Thomas Muster nachgerade gefürchtet. Von für die Gegnerschaft unerträglicher Leichtigkeit in der Beinarbeit oder gar sprühendem Spielwitz weiß allerdings nur ein noch recht überschaubarer und neuer Sportfreundeskreis um den Linkshänder zu berichten. Jene durchwegs deutlich jüngeren Männer nämlich, mit denen Dietmar (Name von der Redaktion geändert) etwa seit Pandemie-Beginn vor zwei Jahren seiner neuen Leidenschaft frönt: dem jetzt auch in Österreich so angesagten, Rückschlagspiel Padel.

In die Welt gesetzt wurde der Padel-Sport einst Ende der 1960er-Jahre vom mexikanischen Geschäftsmann Enrique Corcuera. Inspiriert von den aus Platzgründen kürzer gehaltenen Courts fürs sogenannte Platform Tennis auf amerikanischen Kreuzfahrtschiffen, ließ sich Corcuera daheim im Garten ein durch Mauern und Zäune begrenztes Plätzchen bauen, um sich dort mit Freunden heiße Kleinfeldmatches zu liefern – bewaffnet anfangs noch mit hölzernen, eben Paddel ähnlichen, Prackern (spanisch Padél) und ganz fix begleitet von ein paar Margaritas.

Schnell Feuer gefangen hatte ein enger Freund des nunmehrigen Padel-Erfinders, Alfonso von Hohenlohe-Langenburg – ja, der verstorbene Papa des „Skiprinzen“ Hubertus Hohenlohe. Prinz Alfonso hielt damals unter anderem die Mexico-Verkaufslizenzen eines großen deutschen Automobilkonzerns, war bestens vernetztes Mitglied des internationalen Jetsets und jener Mann, der mit seiner mondänen Hotel-Anlage „Marbella Club“ getrost als Begründer des Luxustourismus an der spanischen Costa del Sol bezeichnet werden darf. Und genau mit dorthin nahm er die Idee „Padel“, baute im Marbella Club zum Gaudium seiner illustren Gäste mehrere Plätze und lud internationale Stars aus Society und Sport zu unterhaltsamen Schaukämpfen. Gematcht haben sich zu dieser Zeit unter vielen anderen Celebs Spaniens, das in den Roaring-Sixties abgöttisch angehimmeltes Tennis-Idol Manuel Santana oder auch die in ihrer Heimat semi-religiös verehrten Mitglieder des argentinischen Polo-Nationalteams. Allesamt infizierten sie sich in Marbella mit dem Padel-Virus. Wieder daheim entfachten sie regelrechte Hotspots.

Allein in Spanien spielen heute über fünf Millionen Menschen regelmäßig Padel, in Lateinamerika wiederum stöhnen die nationalen Tennisverbände über eine dramatische Abwanderungswelle zum Padel und ums Jahr 2014 kam Padel dann auch nach Österreich – und das, um zu bleiben.

Deutlich mehr als 10.000 SpielerInnen hetzen hierzulande mittlerweile in allen neun Bundesländern mit maximal 46 Zentimeter langen und um die 300 Gramm schweren Kunststoffschlägern hinter weichen Filzbällen her, über die heute publikumsfreundlich durch Glaswände begrenzten und vielfach wetterfesten 20 x 10-m-Courts. Tendenz steigend. Und das wohl eben auch wegen der skizzierten technischen Parameter, die den „neuen“ Racketsport für die breiter Masse verhältnismäßig schneller erlernbar machen, als etwa traditionelles Tennis.

Wobei wir wieder bei Dietmar sind. Der hat als insgesamt sehr sportlicher, aber technisch eher semi-brillanter Tenniscrack ungelogen üppige Startvorteile in Sachen Auge-Hand-Racket-Koordination und Antizipation der Ballflugkurven. Durch die langsamer anfliegenden Filzkugeln, das kleinere und immer mit einem Doppelpartner geteilte Spielfeld, sowie die deutlich seltener auftretende Gefahr von Schlägen ins Out hat Dietmar einfach mehr Zeit, plötzlich auch mit raffiniert angeschnittenen Bällen, gefühlvollen Stopps oder auch krachend-präzisen Smashes zu glänzen. Dazu darf das Service beim Padel nur von unten und nach vorherigem aufspringenlassen des Balles übers 92 Zentimeter hohe Netz ins gegenüberliegende Aufschlagfeld bugsiert werden.

Kein Nachteil für Dieter, und speziell natürlich keiner für Sportlerinnen und Sportler, die völlig bar jeder Racketsporterfahrung den goldenen Padel-Käfig entern wollen, um Einheit für Einheit wachsende Spielfreude zu erleben. Dass letztere quasi garantiert ist, liegt nicht nur am speziell anfangs einigermaßen gemütlichen Grundtempo des Balles, sondern etwa auch daran, dass das Racket doch um mehr als 20 Zentimeter kürzer ist, als ein Tennisschläger. Ein Umstand, der die ersten Ballkontakte doch erheblich erleichtert, weil man die Kugel gefühlt mit der naturgemäß eher vertrauten Hand als mit einem sperrigen Fremdkörper streicheln darf. Außerdem spielt physikalisch korrekte Ausrichtung der Körperachsen beim Ballkontakt und damit präzise Richtung der Schläge eine deutlich weniger wichtige Rolle. Der Ball kann nach korrektem Aufspringen in der anderen Courtfläche ja nicht ins Aus gehen. Umgekehrt wiederum darf, ja soll man gegnerische Bälle auch noch nach regelkonformem Boden-Glaswand-Kontakt schlagen, was dem Padel-Spiel eine quasi unerschöpfliche taktische Würze verleiht.

All das ermöglicht selbst völligen Sport-Rookies in kürzester Zeit unterhaltsame Matcherfahrung – gezählt wird beim Padel übrigens wie beim Tennis – und damit Motivation für noch mehr freudvolles Bewegen. Außerdem kann die neue Disziplin Resultate zustande bringen, die selbst einer wie Dietmar die längste Zeit für unmöglich gehalten hätte. So schlug er erst neulich an der Seite eines zuletzt doch deutlich wuchtiger gewordenen Ex-Handballers ein Duo, welches von einem aktuellen österreichischen Tennis-Daviscup-Spieler angeführt wurde. SportlerInnen-Herz, was willst du mehr?