Machen sie es wie Wien
Zu Fuß in Triest
Machen Sie es so wie Wien, nur ein bisserl kleiner“, soll die Anweisung von Kaiser Franz Joseph an seine Stadtplaner für Triest gewesen sein. Die Übung scheint nicht schlecht gelungen. Die Latte lag hoch, aber vielerorts wähnt man sich in Wien. Das „Wien am Meer“ hat gegenüber der Vorlage aber noch einige added values. Wiewohl nicht „echt“ Italien, so die Triestiner, hat es italienisches Flair. Es ist die Schnittmenge der Kulturen, die den besonderen Reiz der Stadt ausmacht.
Beiden Städten gemein ist morbider Charme. Während dieser in Wien beim Gespräch mit dem legendären Ober, oder beim Spaziergang auf dem Zentralfriedhof entdeckt werden will, kommt er in Triest prominent daher. Die Stadt übt sich in der Kunst des stilvollen Verfalls. Am alten Hafen reihen sich verwahrloste Lagerhäuser, rostige Kräne und Kanonenrohre aneinander. Die Ruinen sind Stilmittel und werden als Filmkulisse vermarktet. Das historische „Pedocin“, in dem bis heute nach Geschlechtern getrennt gebadet wird, ist gesäumt von der Ruine des eingestürzten Hallenbads. Das Wahrzeichen Triests, die blaue Tram, fährt seit 2016 nicht mehr und ist trotzdem auf jedem Prospekt. Der strapazierte Rahmen von Patina ist Charaktermerkmal.
Egyd Gstättner schreibt in einem wunderbaren Essay beim Anblick der Molo IV am alten Hafen, die in allerbester Lage verfällt: „Wäre ich ein Investor, würde ich hier groß investieren, ein Kulturzentrum europäischer Dimension, benannt nach Zeno-Cosini, der Titelfigur von Italo Svevo’s epochalem Altersroman, errichten. Ich würde den US Triestina (derzeit Serie C) kaufen, und in die Serie A führen. Dann würden Juventus, Napoli und AS Roma kommen und es gäbe ein Derby mit Udinese Calcio“. Ich denke, ein Serie A Club wäre genau das, was diese Stadt über kulturelle und ethnische Grenzen hinweg für eine gemeinsame Identität dringend bräuchte. Begreift man die Problemzonen als Chancen, so ist Triest eine Stadt mit vielen Möglichkeiten. Tatsächlich ist ein neuer Hafen die große Vision. Man will Teil der „neuen Seidenstraße“ werden. Allein durch die dadurch entstehenden Arbeitsplätze sollte Triest wieder die ursprüngliche Einwohnerzahl von 250.000 (derzeit 200.000) erreichen und den Glanz einer Hafenstadt zurückgewinnen.
Piazza Unità d’Italia
Der heimliche Hauptplatz, umsäumt von historischen Prachtbauten und zum Meer hin offen, ist Ausgangspunkt für unsere Wege durch Triest. Wir starten mit einem Frühstück an einem Place tob Be, einem Altwiener Kaffeehaus mit italienischem Flair, dem Degli Specchi. Über die Piazza Verdi, vorbei am gleichnamigen Teatro, einem der ältesten Opernhäuser Italiens, kreuzen wir die Corso Italia (die Einkaufsstraße Triests). Bei der Querung merken wir: Das Verkehrsverhalten ist typisch italienisch. Vor uns liegt das angesagte Buffet Da Pepi, in der Via Cassa de Risparmio. Für Sauerkraut und gesottenes Schwein sind wir allerdings noch nicht bereit.
Gerade noch vom Da Pepi altösterreichisch eingefärbt, streift uns eine Anmutung von Venedig am Canal Grande. Auch wenn es touristisch daherkommt, hier muss man einmal essen. Ab hier heften wir uns an die Fersen von James Joyce, der mit einem Buch unter dem Arm, wie andere Literaten (Umberto Saba, Italo Svevo) auf dem Weg in die Bibliothek ist. Am Weg zur Piazza San Giovanni kosten wir ein von Hand heruntergesäbeltes Stück von der 200 kg Mortadella im Buffet Da Giovanni, ein Must in Triest. In der Viale XX Settembre reiht sich unter einem Dach aus Laubbäumen ein Lokal ans andere. Es wurlt von jungen Triestinern. Es ist höchste Zeit für den nächsten Caffè im San Marco. Unser Auftrag ist ja immerhin, in der Weltmetropole des Kaffees den besten Nero zu finden. Die schönste Espressomaschine und das schönste Kaffee haben wir nun entdeckt. Betört von der kräftigen Crema sieht man förmlich Kafka, Rilke, Svevo sitzen und spürt den Geist von James Joyce, der am Ulysses arbeitet.
Von der Piazza Unità aus schlüpfen wir in die kleinen Gässchen an der Westseite der Piazza und landen am Piazza Hortis. Nach gefühlt den zehn besten Neros unseres Lebens gönnen wir uns, ganz italienisch, einen „Spritz Aperol“. Rund um die Via Cavan reiht sich Lokal an Lokal. Vom Sternerestaurant (Al Bagatto) bis zum einfachen Buffet ist alles da, was das Herz begehrt. In den kleinen Osterien wird verkocht, was das Meer hergibt. Stockfisch, Calamari, Gamberoni, Sepia und natürlich die weißen Sardinen, ortstypisch als Sardoni impanai paniert oder frittiert. Dazu herrlich cremige Polenta, Pasta und Salate. Cucina alla Mamma vom feinsten. Unser Outing: Wir sind der Hausmannskost im Da Angelina verfallen. Die besten Sardinen und der beste Friulano (darüber könnte man natürlich trefflich streiten – aber nicht mit uns).
Der Hafen
Kaiser Maximilian blickt von seinem Denkmal auf der Piazza Venezia aufs Meer. Er lässt seinen Blick von der Molo IV bis zur Lanterna, dem Leuchtturm aus der Habsburger Zeit, schweifen. So sieht er viele Triester Ruinen und Patina. Neu, und umso beachtenswerter ist der Supermarkt für italienische Spezialitäten Eataly, direkt am Meer. An der Mole de Pescheria steigen wir in den Delfino Verde. Die Bootsfahrt zum Castello di Miramare mit fantastischem Blick auf Triest ist lohnend. Im Schloss und in den großzügigen Parkanlagen ist der Geist der Habsburger spürbar. Ein kleines Schönbrunn mit berauschendem Meerblick. Beim Flanieren durch die gepflegten Gärten, unter dem Einfluss von Lavendelduft macht man sich bewusst, dass es außerhalb der Stadt weitere schöne Orte gibt, die zu Fuß erobert werden wollen.
Rilke und Prosecco
Zwischen Duino und Sistiana ist ein Weg nach dem Lyriker benannt. Aber auch Kaiser Franz Joseph und seine Sisi, Hugo von Hoffmannstahl und Johann Strauss wanderten hier. Zwei Kilometer geht es durch Pinienwald mit permanentem Blick auf das Meer. Die Wanderung ist ein perfektes Schlechtwetterprogramm, denn bei Schönwetter ist es zu heiß. Dasselbe gilt für den Weg von Opicina nach Prosecco. Die 4,3 Kilometer durch den Karst sind schnell bewältigt, jedoch muss man am Zielort viel Zeit für das Hinterherstaunen unter dem Einfluss von reichlich „Sprudel“ einplanen.
Città del Caffè
steht unter den Ortsschildern und Triest wird der Bezeichnung Weltmetropole des Kaffees tatsächlich gerecht. Es begann alles mit Ferenc Illy aus Temeswar. Als sich der Gründer des Kaffeeimperiums, heute einer der größten Arbeitgeber der Region, in Triest niederließ, war dort die Espressokultur (schneller, konzentrierter Stehkaffee) schon verbreitet. Illy baute die erste Espressomaschine. Mit der Illetta wurde Kaffee bei 90 Grad mit neun bar durchgedrückt. Das ergab die weltberühmte Crema. Heute gibt es bei Illy eine Kaffeeuniversität mit Forschungslabor. Illy ist Kaffee und Kaffee ist Triest. Neben den Big Playern Illy und Hausbrandt ist das Kaffeerösten und Brauen ein Teil der DNA von Triest.
Antico Caffè San Marco
Ein Stück Kulturgeschichte – ein Alt Wiener Kaffeehaus am Meer Typisch für eine Stadt, die sich erfolgreich in der Kunst des stilvollen Verfalls übt, wäre auch dieses Schmuckkästchen 2013 beinahe verloren gegangen. Es ist dem Verleger Alexandros Delithanassis zu verdanken, dass das Caffè noch existiert. Die Triestiner reagierten auf die Schließung weitgehend mit Gleichgültigkeit. Er allein konnte den Blick auf die geschlossenen Rolläden nicht ertragen, erwarb das Caffè, legte Buchhandlung und Caffè zusammen und betreibt es seither mit Verve. Zum klassischen Stil eines Wiener Kaffeehauses, bestückt mit Thonet Sesseln und Marmortischchen, gibt es obendrauf eine italienische Zugabe. Die grünen Blätter und braunen Kaffeebohnen an den Wänden machen das San Marco zu einem bezaubernden Kleinod.
Kaffee ist unsere DNA Leben à la carte sprach mit dem Kaffeephilosophen
Was hat Sie bewogen, das Caffè San Marco zu übernehmen? Das Kaffeehaus ist das zweite Wohnzimmer der Triestiner. Es ist ein Teil der europäischen Kulturgeschichte. Es ist der Place to meet. Geschichtlich gesehen, trifft das für ganz Europa zu. Im Kaffeehaus konnte man sich ungezwungen über Kultur- und Religionsgrenzen hinweg zusammensetzen. Vor allem für Frauen war es die einzige Möglichkeit, allein auszugehen. Triest zeichnet sich durch eine überdurchschnittlich hohe Qualität des Kaffees aus. Ja es gilt sogar dort und da als Kaffeehauptstadt der Welt.
Was macht eine gute „Crema“ aus? (Mit dieser Frage haben wir die riesige Wissensblase des Barista angestochen) Guter Kaffee hat zwei Köche, den Röster und den Barista. Ich habe mich entschlossen, beides zu machen. Ich kaufe beste Bohnen, lasse sie vor Ort (ich bin der Einzige, der tatsächlich in Triest röstet) rösten und bereite dann den Nero im eigenen Caffè zu. Wenn man höchste Qualität will, muss man vom Rohstoff bis zur Zubereitung jeden Schritt unter Kontrolle haben. Das ist meine Philosophie, sowohl als Verleger, als auch als Barista.
Woran erkennt man die perfekte Crema? Erstens man testet mit dem Löffel die Elastizität der Creme. Sie muss sich hinter dem Löffel wieder schließen, denn sie sorgt dafür, dass das Aroma im Kaffee bleibt. Zweitens riecht man. Ein guter Kaffee riecht nach Schokolade und Tabaknoten. Last but not least trinkt man und weiß: Das ist es!
Was zeichnet den Kaffee San Marco aus? Ich habe nur eine Sorte. Mein Anspruch war es, einen Kaffee für den ganzen Tag zu haben, nicht zu stark, nicht zu schwach. Wir hier in Triest bevorzugen die mildere Arabica Bohne und mischen nur wenig Robusto (10 bis 20 %) bei, während im Süden Italiens hauptsächlich Robusto Bohnen verwendet werden.
Sag niemals Espresso
So bestellt man Kaffee in Triest
Un Nero: Espresso
Capo in B: Cappuccino im Glas (bicccieri), eigentlich ein Macchiato
Un Capo: Macchiato in der Tasse
Caffè latte: Cappuccino