Den Ruhestand gemütlich genießen
Einspruch! Gemütlich geht die Welt zugrunde, Ruhestand macht alt.
Oft höre ich den Satz: „Herr Doktor, ich bewege mich schon, aber anstrengen tu ich mich nicht mehr“. Einspruch! Je inaktiver, desto früher tot. Strickend auf dem Diwan sitzen und die Katze streicheln ist ein Angriff auf die Jugendlichkeit.
„Es gibt kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern“, meinte Astrid Lindgren. Herausforderungen zu meiden ist der absolute Turbo des Altersprozesses. Peter Sloterdijk bezeichnet es als Wohlstandsdekadenz, dass wir vergessen haben, dass es ein Privileg ist, sich anstrengen zu dürfen. Das gilt physisch wie psychisch. Ein Leben ohne Widerstand ist ein Irrtum. Der Wunsch, endlich nicht mehr denken zu müssen, führt direkt in die Vergreisung. Relevante neue Gedanken zu denken ist fordernd.
Ständige Unterforderung führt dazu, dass wir die Welt nicht mehr verstehen und infolge zu Erschöpfung. Um „Die Bleigewichte der Mühsal, die am Gemüt zerren“, (Thomas Mann im Zauberberg) zu vermeiden müssen wir uns „unter Aufbietung aller Kräfte auf die Zehenspitzen stellen“ (Norberto Bobbio), um mitzukommen.
Alt werden trifft jeden, der nicht jung stirbt. Es ist sinnlos, gegen etwas anzukämpfen, das unvermeidbar ist. Das raubt uns Zufriedenheit, Ruhe und die wunderbare Altersgelassenheit. Wir sind alle „zum Tode verurteilt“. Aber um unser aller Ziel, alt zu werden und möglichst vital zu sterben, zu erreichen, müssen wir uns täglich herausfordern.
Dann können wir auf die Frage: „Seit wann bist Du alt?“, wie Elias Canetti antworten: „Seit morgen“.