Echt Cool

Werner Gruber gibt kalt-warm

In der Physik gibt es den Begriff „Kälte“ nicht. Damit spiele ich natürlich allen in die Karten, die meinen, dass man Physik zu nichts brauchen kann. ABER: Es gibt schon gute Gründe, warum man diesen Begriff aus den Lehrbüchern streicht. Also, es gibt Temperatur und Wärme und die Möglichkeit, dass einzelne Objekte durch drei verschiedene Prozesse Wärme austauschen können.

 

burning hand
burning hand

 

Was ist der Unterschied zwischen Temperatur und Kälte?

Betrachten wir einen Körper, zum Beispiel einen Tisch, oder ein Häferl Kaffee. Diese Objekte bestehen aus einzelnen Atomen. Sowohl in Gasen als auch in Flüssigkeiten oder festen Körpern können sich die einzelnen Atome bewegen. In Gasen können sie sich sehr leicht bewegen – da sind die Abstände zwischen den Atomen sehr groß. In Flüssigkeiten liegen die einzelnen Atome nebeneinander, lassen sich aber leicht gegeneinander verschieben. In einem festen Körper sind die Atome in der Regel dicht gepackt und lassen sich nicht verschieben – aber dennoch bewegen sich diese Atome. Klingt nach Widerspruch, ist es aber nicht: Die einzelnen Atome können an ihren festen Plätzen schwingen oder sogar rotieren.

 

King penguins in the snow in South Georgia @ IStock/ELMVILLA

 

Damit können wir sagen, alle Atome, egal ob in fester, flüssiger oder gasförmiger Konsistenz können sich bewegen (auch die Rotation und die Schwingung ist eine Bewegung). Die Temperatur gibt nun an, wie groß die durchschnittliche Geschwindigkeit bzw. Energie aller Atome eines Körpers ist. Damit kommen wir zur Wärme, dabei handelt es sich um die gesamte Bewegungsenergie eines Körpers. Kurz gesagt: Wir schauen uns bei der Temperatur die durchschnittliche und bei der Wärme die Gesamt-Energie an.

Das Ganze klingt nach akademischem Schwachsinn – das macht in der Praxis doch kaum einen Unterschied. Doch!

Betrachten wir einen Eisennagel mit 1000°C und eine Badewanne gefüllt mit Wasser mit 45°C. Bei der Temperatur gibt es einen klaren Sieger: Der Nagel ist bedeutend wärmer. Bei der Wärme schaut es anders aus. Der Eisennagel besteht aus bedeutend weniger Atomen als die Badewanne. Auch wenn die Wasseratome nur mit einer geringen Energie schwingen, so gibt es sehr wohl sehr viele Atome. Damit besitzt die Badewanne mehr Wärme (bzw. Wärmeenergie – ist das gleiche) obwohl sie eine geringere Temperatur besitzt. Damit sehen wir schon, dass es viel Sinn macht diese Begriffe zu unterscheiden. Mit der „warmen“ Badewanne können wir einen Raum leichter erwärmen als mit dem „heißen“ Eisennagel. So weit so gut. Aber warum nicht „warm“ bzw. „kalt“?

Welche Temperatur kann ein Körper besitzen?

Menschliche Körper haben eine Temperatur von rund 36°C, die Sonnenoberfläche hat 6000°C, Speiseeis rund -5°C und Stickstoff wird flüssig bei minus 196°C. Wie kalt kann ein Körper werden? Die Temperatur ist proportional zur durchschnittlichen Bewegungsenergie. Was ist aber, wenn sich die einzelnen Atome nicht mehr bewegen – wenn wir den Körper mit extremsten Mitteln abkühlen? Diesen Temperaturbereich kann man tatsächlich (fast) erreichen. Welche Temperatur herrscht dort? Genau 0 Kelvin, das sind exakt -273,15°C – da bewegen sich die einzelnen Atome nicht mehr. Es gibt kein kälter mehr. Weniger als 0 Kelvin gibt es nicht. Physiker verwenden gerne die Kelvinskala – es gibt keine negativen Zahlen und damit fallen viele Umrechnungsprobleme weg. Welches Ergebnis bekommt man z. B., wenn man 1 kg Eis mit -10°C mit 1 kg Wasser mit 80°C vermengt?

 

Bei 0 Kelvin bewegen sich die einzelnen Atome nicht mehr @ IStock/FINN HAFEMANN

 

Starten wir mit einem einfacheren Beispiel: Welche Temperatur erhalten wir für die 2 kg, wenn wir 1 kg Wasser mit 20°C mit 1 kg Wasser mit 80°C vermengen. Berechnen wir den Mittelwert zwischen den Temperaturen der beiden Flüssigkeiten erhalten wir 50°C. Das war zu erwarten – mit oder ohne Kelvinskala.

Etwas komplizierter: 1 kg Alkohol mit -10°C (damit ist der Alkohol noch flüssig) und 1 kg Wasser mit 80°C. Was erhalten wir nun beim Vermengen? Wie geht man mit dem Vorzeichen um? Wandeln wir das ganze in Kelvin um, dann lässt sich der Mittelwert leicht berechnen, also 30°C.

Sehr kompliziert: 1 kg Wasser mit -10°C und 1 kg Wasser mit 80°C – der einzige Unterschied: festes Wassereis trifft auf flüssiges Wasser. Wenn sie dieses Experiment zu Hause durchführen, werden Sie werte Leserin und geneigter Leser sehr verblüfft sein. Mit diesen Zahlen (man muss nicht besonders exakt sein, wenn man es ausprobiert) erhalten Sie flüssiges Wasser mit ziemlich genau 0°C (!!!). Da kommt die Wärme (bzw. Wärmeenergie) in das Spiel. Sie brauchen die Wärme von 1 kg Wasser mit 70°C um 1 kg Eis in flüssiges Wasser umzuwandeln.

 

Close up of frozen mixed fruit - berries - red currant, cranberry, raspberry, blackberry, bilberry, blueberry, black currant
@ IStock/BROZOVA

 

Der Energieaufwand um einen Körper von einem Aggregatszustand in einen anderen Aggregatszustand (fest nach flüssig, flüssig nach gasförmig) umzuwandeln ist enorm. Gibt es eigentlich auch den direkten Weg bei der Umwandlung von fest nach gasförmig? Ja, das ist die Sublimation. Trockeneis und Kohlenstoff können nicht schmelzen, sie können aber bei der richtigen Temperatur direkt verdampfen. Aber man muss nichts Exotisches verwenden, sie haben dies sicher auch schon selbst erlebt. Betrachten sie ein Lebensmittel, dass sie in einer Kunststoffdose im Gefrierschrank gelagert haben. Nach 3-4 Monaten sehen sie Eiskristalle auf dem Lebensmittel – wo kommen diese her? Ganz einfach: aus dem Lebensmittel, denn die einzelnen Atome können sich immer noch bewegen, die meisten rotieren oder schwingen und ganz selten können sich auch einzelne Atome durch das tiefgefrorene Eis bewegen. Meist sind dies Wassermoleküle, diese gelangen dann an die kalte Luft in der Kunststoffdose und dort frieren sie wieder ein und bilden schöne Eiskristalle. Wasser ist aus dem Lebensmittel sublimiert (verdampft). Übrigens hilft das Vakuumieren, dann gibt es keine Luft mehr im Kunststoffbeutel.

Die Wärmelehre kann schon was – sie ist die einzige wirklich abgeschlossene Theorie in der Physik, da gibt es keine offenen Fragen mehr. Auch nicht wie man barfuß über glühende Kohlen geht oder läuft. Greifen Sie gleichzeitig mit je einer Hand ein massives Stück Metall und ein Stück Holz an. Was spüren Sie? Das Metall erscheint „kälter“ als das „warme“ Holz. Warum? Metall leitet die Wärme sehr gut – es wird die eigene Körpertemperatur in das Metall abgeleitet und die Hand kühlt ab, während es beim Holz keinen Wärmefluss gibt. Nun kommt das spannende: für den Wärmefluss ist es vollkommen egal ob das Holz glüht oder einfach wächst. Es gibt die Wärme sehr schlecht ab, deswegen verwendet man es auch gerne für die Wärmedämmung. Solange sie über glühende Kohlen laufen, ist alles in Ordnung, die Kohlen dürfen nur nicht brennen, dann gelten wieder andere Gesetze. Da kann man sich dann schnell verbrennen. Damit hoffe ich, dass ich Ihnen nicht zu viel kalt warm gegeben habe.